Zu den zehn großen Branchen in Hessen gehören die Chemiebranche, die Pharmabranche, das Kunststoffgewerbe, der Einzelhandel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Gesundheitsbranche, die Altenpflege, die Erziehung, das Bankengewerbe sowie die Metall- und Elektrobranche. Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Branchen begleiten im sogenannten Sozialpartnerdialog den Diskurs zur Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern in Hessen.
Alle diese Branchen unterscheiden sich hinsichtlich der Lohnlücken, die im Durchschnitt der jeweils zugehörigen Betriebe statistisch für die dort sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten gemessen werden, stark. Die größten und die kleinsten Lohnlücken zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung finden sich in Branchen, in welchen die sogenannten Frauenberufe stark vertreten sind. Die Gesundheitsbranche, welche Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken einschließt, weist eine Lohnlücke von 18 Prozent auf, während in der Erziehung mit Tagespflege sowie weiteren ambulanten und stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe Entgeltgleichheit bereits erreicht ist. Dies trifft auch auf die sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in der Pharmabranche und mit deutlicher Tendenz auf das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Chemiebranche und die Altenpflege zu. Im mittleren Bereich befinden sich die Kunststoffbranche, das Bankengewerbe sowie die Metall- und Elektrobranche mit den größten Anteilen in Vollzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern, gefolgt vom Einzelhandel.
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Abgerufen 14.05.2025 von https://www.hessischer-lohnatlas.de/branchendossiers |
Das Ausmaß der Lohnlücken wird – wie oben schon angedeutet – in den einzelnen Branchen von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Konkret geht es vor allem um den Anteil von Frauen und Männern, die in der jeweiligen Branche sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, sowie deren Arbeitszeitumfänge. Darüber hinaus spielt vermutlich das jeweilige Lohn- bzw. Entgeltniveau einer Branche eine Rolle sowie Entwicklungen der Branchen in den vergangenen Jahren. Im Folgenden werden deshalb für jede der zehn großen Branchen in Hessen Beschäftigungs- und Entgeltstrukturen in der Entwicklung seit 2012 als Hintergrundinformationen für die Entwicklung der branchenbezogenen Lohnlücken vorgestellt.
Resümee zum Überblick über die Entwicklung der Entgeltgleichheit bei Betrieben und großen Branchen in Hessen
Im Jahr 2023 fallen die Entgeltlücken in einzelnen Berufssektoren noch sehr unterschiedlich aus. Während bei den Einwohnerinnen und Einwohnern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung, die in einem Produktions- oder MINT-Beruf tätig sind, Entgeltgleichheit nahezu erreicht ist, stellt sich die Lage in den kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen anders dar. Dort beträgt die Lohnlücke immer noch knapp 7,0 Prozent. Kaum geringer fallen die Entgeltlücken in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen aus, zu denen die sogenannten Frauenberufe gehören, mit einer Größe von 6,0 Prozent. Da die Lohnlücken nicht nur von den ausgeübten Berufen abhängen, sondern auch von den Strukturen der Betriebe, bestehen Unterschiede in den einzelnen Berufssektoren im Vergleich der hessischen Kreise und kreisfreien Städte.
Der Lohnatlas enthält auch die Perspektive auf Betriebe, deren Standorte in Hessen liegen. In diesen Betrieben können die Lohnlücken differenziert nach den Anforderungsniveaus von Stellen erfasst werden. Die größten Lohnlücken bestehen demnach bei Stellen mit den Funktionen Experte (19,9 Prozent) und Spezialist (18,7 Prozent). Beide Stellenniveaus beziehen sich auf komplexe Anforderungen, oft in Verbindung mit Führungsverantwortung, und sind mit hohen Entgelten verbunden. Im Zeitverlauf von 2012 bis 2023 werden die Lohnlücken dort nur langsam kleiner. Deutlich geringer sind die Entgeltlücken bei Stellen mit der Funktion Fachkraft. Im Jahr 2023 bewegt sich die Lücke mit 3,5 Prozent in Richtung Entgeltgleichheit. Die Lohnlücken bei Helferstellen liegen mit 7,0 Prozent noch etwas höher, auch wenn sie seit 2012 deutlich zurückgegangen sind. Im Vergleich der Kreise und der kreisfreien Städte variieren die Ausmaße der Lohnlücken für die einzelnen Anforderungsniveaus von Stellen teilweise beträchtlich.
Bei der Differenzierung nach Stellenniveaus und Altersgruppen wird deutlich, dass in der Altersgruppe 25 bis unter 35 Jahre die Lohnlücken auf allen Anforderungsniveaus am niedrigsten sind. Junge Frauen scheinen, höhere Gehälter auszuhandeln. In den höheren Altersgruppen ab 35 Jahren sind die Lücken deutlich größer und reduzieren sich auch im weiteren Lauf des Erwerbslebens kaum. Frauen können ihre Einbußen in ihren Gehältern aufgrund von Arbeitszeitunterbrechungen durch Familienaufgaben nicht wieder ausgleichen. Ähnlich sieht die Situation bei den Arbeitszeiten auf den verschiedenen Stellenniveaus aus: Ab den Altersgruppen ab 35 Jahren steigen die Anteile von Frauen in Teilzeit deutlich an, während ihr Anteil bei den Vollzeitbeschäftigten zurückgeht.
Die Lohnlücken auf den einzelnen Anforderungsniveaus werden zudem durch die Berufssektoren, denen die Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber angehören, stark beeinflusst. Bei Stellen für Fachkräfte wird deutlich, dass diese bei einer Besetzung mit personenbezogenen Dienstleistungsberufen oder kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen Entgeltgleichheit erreicht haben, wenn diese mit sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten besetzt sind. Anders stellt sich die Lage bei den Produktions- und MINT-Berufen dar. Dort bestehen noch Lohnlücken zwischen Frauen und Männern, die jedoch mit 4,9 Prozent im Jahr 2023 schon klein sind. Bei Stellen mit der Funktion Spezialist sind die Lohnlücken besonders in den kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen mit über 20 Prozent hoch. Bei den Stellen mit der Funktion Experte trifft dies zudem noch auf deren Besetzung mit Produktions- und MINT-Berufen zu. Auch dort sind Lohnlücken in Höhe von knapp 20 Prozent vorhanden. Die Verringerung der Entgeltlücken in den Jahren 2022 und 2023 trifft nicht für alle Konstellationen von Stellenniveaus mit Berufssektoren zu. Teilweise stagniert das Ausmaß der Lohnlücke oder diese nimmt sogar zu. Deshalb bedarf es differenzierter Betrachtungen der Kombinationen von Stellenniveaus und Berufssektoren, um der Heterogenität der Entwicklung der Lohnlücken in den Betrieben in Hessen gerecht zu werden. Eine hohe Transparenz erweist sich als wesentliche Grundlage dafür, zielgenaue Maßnahmen zur Verbesserung der Entgeltgleichheit umzusetzen. Bei der Differenzierung nach Altersgruppen und der Arbeitszeiten in den Berufssektoren zeigt sich wiederum das Muster, dass Frauen ab 35 Jahren häufig in Teilzeit wechseln und die Anteile in Vollzeit geringer werden. Diese Entwicklung setzt sich auch in den älteren Altersgruppen fort.
In den zehn großen Branchen in Hessen variiert das Ausmaß der Lohnlücken zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung beträchtlich. Während in der Erziehung und in der Pharmabranche Entgeltgleichheit erreicht ist, werden in anderen Branchen hohe Lohnlücken von bis zu 18 Prozent gemessen (Gesundheitsbranche, Kunststoff- und Bankengewerbe). Die Dynamiken in den Entwicklungen der Lohnlücken unterscheiden sich gleichfalls zwischen den Branchen. Während die Lücken beispielsweise in der Pharmaindustrie, in der Chemiebranche, in der Bankenbranche, im Einzelhandel, im Krankenhausbereich und in der Altenpflege reduziert werden konnten, stagnieren sie im Hotel- und Gaststättengewerbe oder im Metall- und Elektrogewerbe nahezu. In allen Branchen fallen die Lohnlücken in der jungen Altersgruppe von 25 bis unter 35 Jahren geringer aus als in den höheren Altersgruppen. Die vorgelegten Daten lassen keine Hinweise auf Kausalitäten zu, schaffen jedoch Transparenz, um vertiefte Diskurse zur Entgeltgleichheit in den großen Branchen in Hessen zu führen.