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Aktuelle Lage der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern

Die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ist noch nicht gegeben. In Hessen besteht im Jahr 2023 eine durchschnittliche Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung von 8 Prozent. Hinsichtlich verschiedener Altersgruppen unterscheidet sich das Ausmaß der Lücken beträchtlich. Am geringsten sind die Entgeltlücken in der Altersgruppe von 25 bis unter 35 Jahre. Hier ist seit 2021 nahezu Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern erreicht. Die Daten seit 2012 verdeutlichen, dass die Entgeltlücken zwischen den Geschlechtern in den Berufseinstiegsjahren im Zeitverlauf immer geringer geworden sind. Dies kann ein Indikator dafür sein, dass Frauen mittlerweile individuell bessere Entgeltverhandlungen führen und dass sie über höhere Einstiegsqualifikationen verfügen. Letzteres zeigt sich auch daran, dass in den vergangenen Jahren gut die Hälfte der Hochschulabsolvierenden weiblich war.

Über den betrachteten Zeitraum sind Rückgänge auch in den Entgeltlücken der anderen Altersgruppen erkennbar. Jedoch sind bei den Frauen in der Altersgruppe 35 bis unter 45 Jahre die Entgeltlücken mit fast 10 Prozent weit entfernt von Entgeltgleichheit. Vermutlich sind hier viele Frauen mit kleinen Kindern in hohem Maße mit Vereinbarkeitsthemen befasst, die mit punktuellen Erwerbsunterbrechungen oder Teilzeitbeschäftigung einhergehen können. Die Folgen davon wirken auch bei den beiden höheren Altersgruppen, in denen die Entgeltunterschiede mehr als 12 Prozent ausmachen, nach: Während sich Frauen mit Vereinbarkeitsthemen beschäftigt haben, haben Männer Karriere gemacht und sind aufgestiegen. Sie können die entstandene Aufstiegslücke nicht mehr aufholen. Vor diesem Hintergrund sollte bei Aktivitäten zur Verbesserung der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern den Themen Vereinbarkeit und Aufstieg besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hier sind Verbesserungen notwendig, wenn es gelingen soll, Entgeltlücken im Erwerbsverlauf von Frauen zu verringern.

Neben der Vereinbarkeit und der Unterbrechung oder der Reduzierung der Arbeitszeiten sind noch weitere Ursachen für das Entstehen von Entgeltlücken relevant. Um zu wissen, über welche Stellschrauben Einfluss auf eine Reduzierung der Entgeltlücken genommen werden kann, ist es wichtig, diese Ursachen möglichst genau zu kennen. Deshalb werden im Folgenden zunächst drei wesentliche Ursachen der Entgeltungleichheit beschrieben und Ansätze zu deren Abbau benannt. Die Befunde stammen aus den Dialogen der Stabsstelle Fachkräfte für Hessen mit den Sozialpartnern aus den zehn größten Branchen in Hessen (Banken, Metall/Elektro, Pharma, Chemie, Kunststoff, Gesundheitswesen, Altenhilfe, Erziehung, Einzelhandel und Gastronomie/Hotellerie). Zwischen Mai 2024 und Oktober 2024 hat das IWAK die branchenspezifischen Sozialpartnerdialoge moderiert.

Ursachen der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern sowie Ansätze zu deren Abbau aus Sicht der Sozialpartner

Mit der Gestaltung der Vereinbarkeit von familiären Verpflichtungen (vor allem Betreuung von Kindern) und den Anforderungen der Erwerbsarbeit sind Frauen nach wie vor in viel höherem Maße konfrontiert als Männer. Eine verlässliche und zu den Arbeitszeiten passende Kinderbetreuung zu finden, stellt viele Frauen und ihre Partner vor große Herausforderungen. Der Fach- und Arbeitskräftemangel in der Kindertagesbetreuung führt inzwischen auch zu kürzeren Betreuungszeiten, die die Arbeitszeiten von Eltern, vor allem von Müttern, nicht komplett abdecken. Zusätzlich kann kurzfristiger Personalausfall die Lage noch erschweren. Flexible und bedarfsbezogene Arbeitszeitmodelle sind in diesen Fällen hilfreich. Darüber hinaus werden mittlerweile verschiedene Strategien wie Randzeitenbetreuung durch Tagesmütter oder Ehrenamtliche (Leihgroßeltern) genutzt, um Betreuungslücken möglichst zu schließen. Aufgrund der angespannten Betreuungslage entscheiden sich viele Mütter, temporär keiner Erwerbsarbeit nachzugehen oder zumindest weniger zu arbeiten und eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen. Sowohl Erwerbsunterbrechung als auch Teilzeitbeschäftigung führen jedoch zu direkten negativen Entgelteffekten. Das Erwerbsnettoeinkommen von Frauen wird in diesen Fällen geringer und durch einen möglichen Wechsel ins Ehegattensplitting nochmals deutlich kleiner. Dies wirkt sich nicht nur auf den Grad der eigenständigen Absicherung von Frauen während ihres Erwerbslebens aus, sondern auch auf ihre finanzielle Lage bis ins Rentenalter hinein. Die im Erwerbsleben erreichten Entgelte spiegeln sich in der Rentenhöhe wider. Innerbetrieblich führt Teilzeitbeschäftigung dazu, dass Aufstiegsmöglichkeiten verschlossen bleiben. Denn Aufstieg und die Übernahme von Führungsfunktionen sind in Deutschland in fast allen Branchen noch stark an eine Vollzeitbeschäftigung gebunden.

 Dass Frauen in deutlich geringerem Maße aufsteigen als Männer ist letztendlich in allen Branchen die Hauptursache dafür, dass Frauen im Durchschnitt deutlich geringere Bruttomonatsentgelte erreichen als Männer. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Einstiegsqualifikationen von Frauen und Männern vergleichbar sind, jedoch Männer ihr Bildungskapital deutlich besser als Frauen in Erwerbseinkommen umsetzen können. Die Voraussetzung einer Vollzeiterwerbstätigkeit für einen betrieblichen Aufstieg stellt eine strukturelle Barriere dar. Allerdings wirken darüber hinaus kulturelle Barrieren, so dass auch Frauen, die in Vollzeit erwerbstätig sind, nicht die gleichen Aufstiegschancen wie Männer wahrnehmen können. Geschlechterstereotypen und „traditionelle“ Betriebskulturen begünstigen Männer. Erst diverse und inklusive Betriebskulturen führen zu Öffnungen für Frauen, wie Beispiele vor allem aus dem Ausland zeigen. Und schließlich sind es die Vorstellungen von Frauen selbst und die ihrer Lebenspartner zu den Geschlechterrollen, die den individuellen Aufstieg fördern oder bremsen können. Gerade dieses Selbstverständnis – in Kombination mit Anreizstrukturen wie dem Ehegattensplitting oder der Familienversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – kann ausschlaggebend für den eigenen Aufstieg sein. Dies zeigt sich, wenn zwar immer mehr Frauen aus dem Ausland in die obersten Führungsebenen in Unternehmen aufsteigen, jedoch gleichzeitig Frauen mit einer Sozialisation in Deutschland häufiger in Teilzeit arbeiten und damit weniger oft für eine Führungsrolle berücksichtigt werden. Dies verweist auf die Prägekraft traditioneller Geschlechtervorstellungen, die auch individuelle Aufstiegsambitionen ausbremsen können, vor allem dann, wenn diese kollektiv an Frauen und ihre Lebenspartner herangetragen werden. Eine Modernisierung der Geschlechterrollen stellt deshalb eine wichtige kulturelle Voraussetzung für den Aufstieg von Frauen dar.

Eine weitere Ursache für die Entgeltlücken zwischen Frauen und Männern geht auf die Geschlechtersegregation des Arbeitsmarkts zurück, die nur in wenigen Ländern so stark ausgeprägt ist wie in Deutschland. Frauen orientieren sich sowohl in der Berufsausbildung als auch im Studium häufig in Richtung sozialer Berufsfelder. Demgegenüber wählen die meisten Männer gewerbliche Berufsbereiche, wo die Entgelte deutlich höher sind als in Sozialberufen wie Pflege oder Erziehung. Die unterschiedlichen Entgeltniveaus beruhen auf der sogenannten Arbeitsbewertung einzelner Berufe: Hohe Wertigkeit und damit hohe Entgelte werden dabei produktiven, körperlichen und konzeptionellen Tätigkeiten zugeschrieben. Deutlich geringer werden soziale und interaktionsbezogene Tätigkeiten bewertet, die vor allem in den personenbezogenen Dienstleistungen zu finden sind. Vor diesem Hintergrund bedarf es entsprechender Informationen in der Berufsorientierung und auch Arbeitsbewertungsprozesse, die auf eine Gleichwertigkeit unterschiedlicher Tätigkeiten hinwirken. Ein Beispiel dafür sind Aktivitäten im Bereich der Berufsorientierung mit dem Ziel einer Orientierung von Mädchen und Frauen in Richtung von MINT-Berufen. Bisher sind die Erfolge allerdings noch gering, da noch nicht hinreichend berücksichtigt wird, dass Frauen mit ihrer Erwerbsarbeit oftmals einen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten möchten. Am Beispiel der Pharmaindustrie oder auch der Medizin wird dies besonders deutlich: Es handelt sich um MINT-Bereiche, in denen die Interaktionen mit Menschen im Fokus stehen. Damit sind sie mit den Zielstellungen von Frauen kompatibel, was die hohen Frauenanteile in beiden Branchen belegen.

Die oben skizzierten Ursachen sind unbedingt zu berücksichtigen, wenn die Lage verbessert und die Entgeltlücken zwischen Frauen und Männern weiter verringert werden sollen. Aktivitäten zur Verringerung der Entgeltlücke sollten an den Ursachen ansetzen. Innerhalb von Branchen verändern sich allerdings auch Strukturen, die Effekte auf die Entgeltlagen von Frauen haben können, wie im Folgenden gezeigt wird.

Entwicklungen in einzelnen Branchen mit Effekten auf die Entgeltlagen von Frauen und Männern – Perspektiven aus der Praxis der Sozialpartner

Anhand der Sozialpartnerdialoge, die das Ziel verfolgten, aktuelle Entwicklungen in den unterschiedlichen Branchen und deren mögliche Auswirkungen auf die Entgeltlage von Männern und Frauen zu erfassen sowie Handlungsansätze zu spezifizieren, lassen sich relevante Entwicklungen aufzeigen. Dabei handelt es sich um veränderte Strukturmerkmale von Belegschaften, neue Binnendifferenzierungen von Tätigkeitsfeldern in Einzelbranchen und die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung. Diese drei Entwicklungstendenzen sollen im Folgenden genauer ausgeführt werden.

Die Struktur der Belegschaften in den Betrieben verändert sich beispielsweise durch die Zunahme des Anteils ausländischer Beschäftigter. Insbesondere Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie oder der Einzelhandel bieten niedrigschwelligen Zugang in den deutschen Arbeitsmarkt. Dort ist es möglich, als Angelernte tätig zu werden. Diese Option wird von vielen Quereinsteigenden wahrgenommen, die im Ausland einen Berufsabschluss in einem anderen Feld erworben haben, der in Deutschland noch nicht anerkannt ist. Viele ausländische Beschäftigte sind zudem bereit, in sehr hohem Umfang erwerbstätig zu sein. Darüber hinaus werden besonders für die vielen offenen Stellen beruflich Qualifizierter auch Fachkräfte aus dem Ausland direkt angeworben oder diese wandern autonom zu. Besonders erfolgreich ist dieser Rekrutierungsweg im Gesundheitswesen und in der Altenhilfe. In beiden Fällen sind fachlich Qualifizierte zunächst als Angelernte tätig, was mit entsprechend niedrigeren Entgelten einhergeht und die Entgeltunterschiede zwischen Beschäftigten mit deutscher und mit ausländischer Staatsangehörigkeit verstärkt. Der umgekehrte Fall einer Entgeltlücke zwischen ausländischen und deutschen Frauen wird in Branchen deutlich, die sich im Prozess der Internationalisierung befinden. Dies gilt beispielsweise für den Bankenbereich, die Pharmabranche oder die Hotellerie. Hier steigen die Frauenanteile in den oberen Führungsfunktionen und in Vollzeitbeschäftigung an, weil überdurchschnittlich viele Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit diese Funktionen einnehmen, während Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit auf den Ebenen darunter verbleiben, unter anderem, da sie eine Teilzeitbeschäftigung anstreben. Insgesamt steigen Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die durchgängig in Vollzeit tätig sind, im Schnitt schneller auf als Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die Unterbrechungen oder Phasen der Teilzeitbeschäftigung haben.

Die Zunahme der akademisch qualifizierten Beschäftigten wird in vielen Branchen deutlich. Oft werden anstelle von dualer Ausbildung duale Studiengänge angeboten, um dem Wunsch nach Akademisierung zu entsprechen, zum Beispiel in der Metall- und Elektrobranche oder im Einzelhandel. In der Folge werden Beschäftigungsstrukturen binnendifferenziert, indem die akademisch Qualifizierten mit strategischen Aufgaben (vor allem in Vollzeit) betraut werden, während die beruflich Qualifizierten in den operativen Bereichen verbleiben. In der Folge führt dies dazu, dass mit einem akademischen Abschluss dann auch höhere Entgelte verbunden sind. Von diesen Entwicklungen profitieren überdurchschnittlich viele Männer, was zu einer Vergrößerung der Lohnlücke führen kann. Auch im Erziehungsbereich nimmt der Anteil der Fachkräfte mit Studienabschluss zu. Eine Binnendifferenzierung wie in den oben genannten gewerblichen Branchen zeigt sich in der Erziehung jedoch nicht in gleichem Maße: Die meisten Akademikerinnen verbleiben in der operativen Erziehungsarbeit und können ihre akademischen Abschlüsse nicht in höhere Entgelte übersetzen. Interessant ist zudem die Erhöhung des Männeranteils in der Erziehung; Männer steigen in dieser Branche im Schnitt schneller auf als Frauen. Führung in Teilzeit ist in der Branche weit verbreitet, und der Anteil der Männer, die aus familiären Gründen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, ist überdurchschnittlich hoch. Allerdings wird Männern anscheinend oftmals qua Sozialisation eine Führungsverantwortung eher zugeschrieben als Frauen. Dies führt dazu, dass mit der Zunahme der Anzahl der Männer und deren überdurchschnittlich schnelleren Aufstiegen die Entgeltlücke in der Erziehung in den vergangenen Jahren wieder größer wurde.

Andere Formen der Binnendifferenzierung von Tätigkeitsfeldern werden beispielsweise in der Gastronomie deutlich. Den Leitungen der Küchen kommt eine hohe Bedeutung zu, da diese die Qualität der Speisen beeinflussen. Sie können entsprechend hohe Entgelte erreichen. Bei den Küchenleitungen handelt es sich allerdings überdurchschnittlich häufig um Männer. Aufgrund der geringen Gewinnspanne in der Branche werden alle anderen Leitungsfunktionen in der Branche, beispielsweise die Serviceleitung, deutlich niedriger bezahlt. Leitungen des Servicebereichs sind jedoch besonders häufig weiblich. Somit vergrößert sich die Lohnlücke in der Gastronomie.

Strukturelle Veränderungen zeigen sich darüber hinaus in vielen Branchen in der Verschiebung des Verhältnisses zwischen Voll- und Teilzeitanteilen. Gerade in Branchen wie der Pharmaindustrie nimmt die Zahl der vollzeitnahen Beschäftigungsverhältnisse zu (90 Prozent einer Vollzeitstelle). Neben Vereinbarkeit ist mehr Zeit für private Interessen und Hobbies ein wichtiger Grund, nicht in Vollzeit tätig zu sein. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch bei den Fachkräften im Gesundheitswesen und in der Erziehung, wo eine vollzeitnahe Teilzeitbeschäftigung immer noch zu auskömmlichen Löhnen führen kann. Anders stellt sich die Lage im Einzelhandel dar. Dort werden von Seiten der Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse gesetzt, um darüber eine höhere Flexibilität zu erreichen und lange Öffnungszeiten abzudecken. Dies ist auch eine Erklärung für die hohen Teilzeitanteile im Gesundheitswesen (Schichtdienst) und in der Erziehung, allerdings besteht für die Beschäftigten im Einzelhandel – anders als im Gesundheitswesen und in der Erziehung – keine Möglichkeit, den Stundenumfang zu erweitern. Angesichts des niedrigeren Entgeltniveaus der Branche können vielfach keine auskömmlichen Einkommen erreicht werden. Dies führt zu einer vergleichsweise hohen Fluktuation in der Branche. Besonders schwierig ist die Lage für Beschäftigte, die gerade ihren Berufsabschluss erworben haben und denen lediglich eine Teilzeitstelle angeboten wird. Viele Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse beziehen sich auf kleine (bis 20 Stunden pro Woche) bis mittlere Teilzeit (21 bis 30 Stunden pro Woche). Von der Qualifikationsebene her sind es die Beschäftigten mit (anerkanntem) Berufsabschluss, die die höchsten Teilzeitanteile aufweisen. Dabei handelt es sich überwiegend um weibliche Beschäftigte mit einer deutschen Staatsangehörigkeit. Dies führt dazu, dass in diesem Qualifikationssegment Frauen deutlich niedrigere Entgelte mit Blick auf ihr gesamtes Erwerbsleben erwerben als Männer. Die Erweiterung der Stundenumfänge kann in vielen Branchen eine große Herausforderung darstellen, auch wenn im Einzelfall die Gründe für Teilzeit wie beispielsweise Kinderbetreuung nicht mehr gegeben sind.

Da für die Verringerung der Entgeltlücke die Erweiterung der Arbeitszeitumfänge von Frauen von fundamentaler Bedeutung ist, hat das IWAK im Sommer 2024 eine Befragung beauftragt, um Faktoren zu identifizieren, die dabei helfen können. Damit würde nicht nur die finanzielle Absicherung von Frauen verbessert, sondern es würden zudem Beschäftigungspotenziale gehoben, was wiederum für die Fach- und Arbeitskräftesicherung von wesentlicher Bedeutung ist.

Erweiterung des Arbeitszeitumfangs von Teilzeitbeschäftigten – Befunde aus einer aktuellen Befragung erwerbstätiger Frauen aus Hessen

Teilzeitbeschäftigung führt nicht nur faktisch zu geringeren Entgelten als Vollzeiterwerbsarbeit, sondern kann auch innerbetriebliche Aufstiege erschweren. Die Übernahme von Führungspositionen ist kulturell und praktisch noch häufig an Vollzeitbeschäftigung gebunden. Führung in Teilzeit hat sich gemäß dem IAB-Betriebspanel bislang nur wenig durchgesetzt. Teilzeitbeschäftigung führt zudem im Alter zu einer schlechteren finanziellen Situation von Frauen. Neben den individuellen Folgen von Teilzeitbeschäftigung sind jedoch auch die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft zu beachten: In beiden Bereichen dominiert ein Fach- und zunehmender Arbeitskräftemangel, der sich ungünstig auf die Entwicklung der Wirtschaftskraft in Hessen auswirken kann. Vor diesem Hintergrund werden schon länger Fach- und Arbeitskräftesicherungsstrategien entwickelt und umgesetzt, die bisher brachliegende Beschäftigungspotenziale erschließen sollen. Dazu zählt auch die Erweiterung des Beschäftigungsumfangs von – insbesondere weiblichen – Teilzeitbeschäftigten.

50 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Hessen gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Dazu kommen noch jene Frauen, die ausschließlich geringfügig beschäftigt sind. Um Ansätze für die Erschließung dieser Potenziale entwickeln zu können, gilt es zunächst zu verstehen, aus welchen Gründen Frauen aus ihrer individuellen Perspektive heraus in Teilzeit tätig sind und unter welchen Umständen sie ihre Arbeitszeiten aufstocken oder reduzieren würden. Mit Blick auf jene Faktoren, die die Aufstockung von Arbeitszeiten begünstigen, gilt es zudem, von den individuellen Lagen zu abstrahieren und sich grundsätzlicher mit den Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Wertigkeit von Frauenerwerbsarbeit zu befassen. Denn es ist davon auszugehen, dass neben individuellen Settings vor allem strukturelle und teilweise auch kulturelle Rahmenbedingungen Teilzeitbeschäftigung begünstigen.

Teilzeiterfahrungen von Frauen in Hessen

Für Hessen liegen zu den oben formulierten Fragen bisher keine systematischen Daten vor. Vor diesem Hintergrund hat das IWAK eine Erhebung beauftragt, die vom 21. August 2024 bis zum 17. September 2024 durch aproxima aus Weimar durchgeführt wurde. Es konnten verwertbare Daten von 2.147 Frauen gewonnen werden. Dabei wurden 254 Fälle über eine Telefonbefragung mit Festnetzanschlüssen generiert und weitere 1.893 Probandinnen über eine Panelbefragung erreicht. Durch die Kombination der beiden Zugänge ist es gelungen, alle Altersgruppen angemessen einzubeziehen. Zum Befragungszeitpunkt waren die Probandinnen entweder sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig in Teilzeit beschäftigt oder sozialversicherungspflichtig in Vollzeit erwerbstätig und bereits früher schon einmal in sozialversicherungspflichtiger oder ausschließlich geringfügiger Teilzeit beschäftigt. Frauen, die während ihres gesamten Erwerbslebens einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sind, wurden nicht in die Befragung einbezogen. Gerade die Daten der Probandinnen, die derzeit in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit erwerbstätig sind und früher in Teilzeit tätig waren, sind von besonderem Interesse. Vom Wissen dieser Teilgruppe sollte auf praktisch wirksame Faktoren für die Aufstockung von Arbeitszeiten geschlossen werden können. Zudem wird davon ausgegangen, dass Teilzeitbeschäftigung bei vielen Frauen als temporäre Sequenz im Erwerbsverlauf stattfindet. Vor diesem Hintergrund ist die repräsentative Erfassung verschiedener Altersphasen von hohem Interesse. Um dies zu gewährleisten, wurden die Daten der Zufallsstichprobe nach den Größen der Altersgruppen der erwerbstätigen Frauen im Mikrozensus für Hessen aus dem Jahr 2023 gewichtet. Entsprechend ist die vorliegende Stichprobe in Bezug auf die Altersstruktur erwerbstätiger Frauen in Hessen als repräsentativ anzusehen. Da die Stichprobe zufallsgeneriert ist und die Fallzahlen sehr groß sind, dürften die Daten grundlegende Trends valide abbilden.

Ausgewählte Strukturmerkmale von Frauen mit unterschiedlichen Anteilen an Teilzeitbeschäftigung

Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Befragten auf die unterschiedlichen Altersgruppen.

Tabelle A: erwerbstätige Frauen in Teilzeitbeschäftigung im Jahr 2024, differenziert nach Altersgruppen

Altersgruppe Fallzahl gültige Prozente kumulierte Prozente
absolut in % in %
bis 24 Jahre2109,89,8
25 bis 34 Jahre44420,730,4
35 bis 44 Jahre46921,852,3
45 bis 54 Jahre48522,674,7
55 bis 64 Jahre47522,197
65 Jahre und älter643100
Gesamt2.147100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung

Die Mehrzahl der Probandinnen (71,8 Prozent) waren zum Befragungszeitraum im Spätsommer 2024 in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit beschäftigt. Weitere 9,4 Prozent gingen einer ausschließlich geringfügigen Beschäftigung nach. Damit sind 81,2 Prozent der befragten Frauen derzeit nicht in Vollzeit tätig. 18,8 Prozent der befragten Frauen gehen aktuell einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung nach, haben jedoch in der Vergangenheit schon Erfahrungen mit Teilzeitbeschäftigung gesammelt.

Tabelle B: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Beschäftigungsumfang

Beschäftigungsumfang Fallzahl gültige Prozente kumulierte Prozente
absolut in % in %
derzeit in Teilzeit beschäftigt1.54271,871,8
derzeit ausschließlich geringfügig beschäftigt2019,481,2
derzeit in Vollzeit und früher in Teilzeit beschäftigt40318,8100
Gesamt2.147100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung

Von den derzeit sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig Teilzeitbeschäftigten (n = 1.743) liegen für 1.682 Probandinnen Aussagen zum Umfang ihrer aktuellen Teilzeitbeschäftigung vor. 41,7 Prozent gehen einer sogenannten kleinen Teilzeit von bis zu 20 Arbeitsstunden pro Woche nach, während 47,2 Prozent eine mittlere Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 21 bis 30 Stunden ausüben. Demgegenüber ist die Gruppe der vollzeitnahen Teilzeitbeschäftigten mit 31 und mehr Stunden pro Woche mit einer Größenordnung von 11,1 Prozent deutlich geringer. Dies bedeutet, dass fast 90 Prozent der Teilzeitbeschäftigten bis zu 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind. Damit wird das Ausmaß der Potenziale, die für den Arbeitsmarkt möglicherweise noch gehoben werden könnten, deutlich.

Tabelle C: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Teilzeitumfang

Teilzeitumfang Fallzahl gültige Prozente kumulierte Prozente
absolut in % in %
kleine Teilzeit bis 20 Stunden/Woche70241,741,7
mittlere Teilzeit 21 bis 30 Stunden/Woche79347,288,9
große Teilzeit 31 und Stunden/Woche18711,1100
Gesamt1.682100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung

Über 97 Prozent der Probandinnen machten Angaben zum Verhältnis von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung in ihrem bisherigen Erwerbsleben. Deutlich wird, dass bei der Mehrzahl entweder eine Teilzeit- oder eine Vollzeitbeschäftigung dominant war. Nur bei knapp 20 Prozent der Befragten halten sich die Zeiten von Vollzeit und Teilzeitbeschäftigung etwa die Waage.

Tabelle D: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben

Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben Fallzahl gültige Prozente kumulierte Prozente
absolut in % in %
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt88842,642,6
gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt38818,661,1
kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt81138,9100
Gesamt2.087100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung

Mit Blick auf die Erwerbsverläufe wird deutlich, dass Frauen, die bisher mehr in Teilzeit als in Vollzeit gearbeitet haben, eher den älteren Altersgruppen ab 45 Jahren angehören. Der umgekehrte Fall (längere Phasen von Vollzeitbeschäftigung und kürzere Phasen von Teilzeitbeschäftigung) zeigt sich besonders häufig bei Frauen von 35 bis unter 45 Jahren. Eine vergleichbare Länge von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung findet sich demgegenüber besonders häufig bei Frauen zwischen 25 und 34 Jahren. Vermutlich werden sich die Frauen gerade dieser Altersgruppe im weiteren Erwerbsleben dem Modell der höheren Teilzeit- oder jenem der höheren Vollzeitanteile anschließen. Es kann vermutet werden, dass diese Daten schon erste Hinweise darauf liefern, dass es vor allem ab dem Alter von 35 Jahren (aktivierbare) Potenziale in Richtung Erhöhung des Beschäftigungsumfangs zu heben gibt.

Tabelle E: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Altersgruppen und Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben

Altersgruppe Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt
absolut in % absolut in % absolut in %
bis 24 Jahre819,14311,1617,5
25 bis 34 Jahre15717,710827,916720,6
35 bis 44 Jahre17019,19123,520024,6
45 bis 54 Jahre22325,17519,417521,6
55 bis 64 Jahre23326,25915,218222,4
65 Jahre und älter242,7112,8273,3
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung

Ein längerer Verbleib in Teilzeit hängt vermutlich mit der Versorgung von Kindern zusammen. In der Befragung wurden nur Kinder bis unter 14 Jahren erfasst, da davon ausgegangen werden kann, dass nur diese noch regelmäßige Betreuung benötigen. Die folgende Tabelle zeigt den auf den ersten Blick überraschenden Befund, dass die meisten Frauen ohne Kinder höhere Teilzeit- als Vollzeitanteile haben. Möglicherweise korrespondiert dies mit dem Befund der vorherigen Tabelle und es handelt sich vor allem um Frauen in der nachfamiliären Phase. Umgekehrt weist die folgende Tabelle aus, dass Kinder im Haushalt am stärksten mit größeren Vollzeit- als Teilzeitanteilen korrespondieren. In den späteren Analysen wird noch genauer zu explorieren sein, ob neben Kinderbetreuung noch weitere Gründe wie die Pflege von älteren Angehörigen auch Ursachen für Teilzeitbeschäftigung sein können.

Tabelle F: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben* und Haushalt mit oder ohne Kinder, Angaben in Prozent

Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben* Haushalt
ohne Kinder bis unter 14 Jahren mit Kindern bis unter 14 Jahren Gesamt
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt4934,742,7
gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt15,122,218,3
kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt35,84339
Gesamt100100100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 2.034

Auch die Anzahl der Eltern im Haushalt mag mit der Kombination von Teil- und Vollzeitanteilen korrespondieren. Während sich Alleinerziehende, also Einelternfamilien, entweder bei einem höheren Anteil an Teilzeit oder einem höheren Anteil an Vollzeit verorten, sind bei den Frauen, die in Zweielternfamilien leben, die Vollzeitanteile eher größer. Plausibel erscheint dies vor dem Hintergrund, dass beispielsweise die Sorgearbeit auf zwei Eltern verteilt werden kann.

Tabelle G: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben* und Familientyp, Angaben in Prozent

Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben* Familientyp
Einelternfamilie Zweielternfamilie
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt39,142,9
gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt21,218,2
kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt39,738,8
Gesamt100100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 1.806

Die Tendenz zur umfangreicheren Vollzeittätigkeit steigt mit der Funktion, die die befragten Frauen innehaben. Führungskräfte sind anteilig länger in Vollzeit tätig gewesen denn in Teilzeit. Für angelernte Helferinnen gilt das Gegenteil.

Tabelle H: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben* und aktueller beruflicher Funktion, Angaben in Prozent

Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben* aktuelle berufliche Funktion
Helferin (angelernt) Fachkraft Führungskraft
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt48,243,133,3
gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt19,81820,1
kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt323946,6
Gesamt100100100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 2.043

Zudem besteht ein Zusammenhang mit den Branchenclustern Produktion und Dienstleistung. Während sich in den Produktionsbranchen höhere Anteile an Vollzeitbeschäftigung zeigen, gilt für die Dienstleistungsbranchen der umgekehrte Fall. Hier sind die Teilzeitanteile bei der Mehrzahl der Befragten deutlich höher als die Vollzeitanteile.

Tabelle I: erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisherigen Erwerbsleben* und Branchencluster, Angaben in Prozent

Verhältnis von Teil- und Vollzeit im bisheringen Erwerbsleben* Branchencluster
Produktion Dienstleistung
länger in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt33,545
gleich lang in Voll- und Teilzeit beschäftigt20,617,8
kürzer in Teilzeit als in Vollzeit beschäftigt45,837,2
Gesamt100100
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 1.689

Nach der Betrachtung struktureller Muster lässt sich festhalten, dass die Potenziale für die Erweiterung von Teilzeitbeschäftigung quantitativ ab dem Alter von 35 Jahren bis hin zum Rentenalter am größten sind. Ob diese Potenziale tatsächlich aktiviert werden können, hängt mit hoher Wahrscheinlichkeit von komplexen Wirkzusammenhängen ab. Es scheint jedoch mit Blick auf die Daten plausibel, dass hohe Funktionen und Beschäftigung in Produktionsbranchen im Schnitt mit höheren Anteilen von Vollzeit verbunden sind.

Im Folgenden erfolgt eine genauere Analyse individuell relevanter Gründe, die zur Teilzeitbeschäftigung führen.

Gründe, die zur Teilzeitbeschäftigung von Frauen führen

Die Entscheidung für Teilzeitbeschäftigung kann neben strukturellen und kulturellen, auch individuelle Gründe haben. Im Folgenden wird gezeigt, wie relevant unterschiedliche Gründe für die Befragten aus ihrer individuellen Perspektive sind. Dabei werden ausschließlich die Befragten berücksichtigt, die sich derzeit in einer Teilzeitbeschäftigung befinden. Es handelt sich hierbei um 1.722 Probandinnen. Eine Unterscheidung in die sogenannte „freiwillige“ und „unfreiwillige“ Teilzeitarbeit ist nicht systematisch möglich. Denn die Mehrzahl der Gründe bezieht sich auf strukturell bedingte Lagen, die über Teilzeit gelöst oder zumindest gemildert werden. Jedoch trifft dies nicht in allen Fällen zu. Erst in Verbindung mit persönlichen Einstellungen und weiteren Ressourcen manifestieren sich viele der abgefragten Gründe als Ursachen für eine Teilzeitbeschäftigung. Unterschieden werden Gründe, die durch den Arbeitgeber oder den Arbeitsplatz bedingt sind, von solchen, die im persönlichen, privaten Umfeld der Frauen liegen. Insgesamt erweisen sich Gründe, die aus der persönlichen Lebenssituation herrühren, als viel relevanter als durch den Arbeitgeber oder den Arbeitsplatz bedingte Gründe.

Zunächst werden Gründe benannt, die durch die Arbeitgeber bedingt sind. Diese treffen jeweils auf einen Teil der Probandinnen zu. Dieser Anteil wird in Prozent dargestellt. Mehrfachnennungen waren möglich (n = 1.722)

  • Arbeit ist für Vollzeit zu anstrengend, aus diesem Grunde Teilzeit (15,4 %)
  • Arbeitgeber bietet nur Teilzeitbeschäftigung an (14,9 %)
  • Arbeitsweg nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch, deshalb nur Teilzeitbeschäftigung möglich (6,9 %)

Darüber hinaus werden weitere Gründe durch die Frauen aufgeführt, die mit der jeweils persönlichen Situation zu tun haben. Mehrfachnennungen waren möglich (n = 1.722):

  • Betreuung eines oder mehrerer Kinder ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung (40,3 %)
  • Viel Zeit für Freunde und Hobbies nehmen und deshalb Teilzeitbeschäftigung (22,1 %)
  • Versorgung eines großen Haushalts ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung (13,4 %)
  • Krankheit und nur begrenzte Belastbarkeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung (12,6 %)
  • Pflege eines Angehörigen und deshalb nur Teilzeitbeschäftigung (10,1 %)
  • Bei Vollzeit würden derzeit zu viele Abzüge entstehen, deshalb Teilzeit gewählt (9,0 %)
  • Aufgrund Ausbildung, Studium oder Weiterbildung nur Teilzeitbeschäftigung möglich (6,3 %)
  • Bezug von Elterngeld Plus oder Brückenteilzeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung (1,4 %)

Der am häufigsten genannte Grund für Teilzeitbeschäftigung ist die Betreuung eines oder mehrerer Kinder. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die Gründe für zwei Teilgruppen mit und ohne Kinder im Haushalt genauer betrachtet.

Bei den in Teilzeit beschäftigten Frauen mit Kindern bis unter 14 Jahren im Haushalt ergibt sich die folgende Reihenfolge der Gründe. Mehrfachnennungen waren möglich (n = 751):

  • Betreuung eines oder mehrerer Kinder ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung (78,2 %)
  • Versorgung eines großen Haushalts ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung (15,2 %)
  • Arbeit ist für Vollzeit zu anstrengend, aus diesem Grunde Teilzeit (11,3 %)
  • Viel Zeit für Freunde und Hobbies nehmen und deshalb Teilzeitbeschäftigung (10,8 %)
  • Arbeitgeber bietet nur Teilzeitbeschäftigung an (10,4 %)
  • Pflege eines Angehörigen und deshalb nur Teilzeitbeschäftigung (7,3 %)
  • Arbeitsweg nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch, deshalb nur Teilzeitbeschäftigung möglich (5,6 %)
  • Krankheit und nur begrenzte Belastbarkeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung (6,3 %)
  • Bei Vollzeit würden derzeit zu viele Abzüge entstehen, deshalb Teilzeit gewählt (4,8 %)
  • Aufgrund Ausbildung, Studium oder Weiterbildung nur Teilzeitbeschäftigung möglich (4,3 %)
  • Bezug von Elterngeld Plus oder Brückenteilzeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung (2,3 %)

Demgegenüber ergibt sich bei den in Teilzeit beschäftigten Frauen ohne Kinder bis unter 14 Jahren im Haushalt eine andere Priorisierung von Gründen. Mehrfachnennungen waren möglich (n = 929).

  • Viel Zeit für Freunde und Hobbies nehmen und deshalb Teilzeitbeschäftigung (31,4 %)
  • Arbeit ist für Vollzeit zu anstrengend, aus diesem Grunde Teilzeit (18,6 %)
  • Krankheit und nur begrenzte Belastbarkeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung (18,2 %)
  • Arbeitgeber bietet nur Teilzeitbeschäftigung an (18,1 %)
  • Bei Vollzeit würden derzeit zu viele Abzüge entstehen, deshalb Teilzeit gewählt (12,7 %)
  • Pflege eines Angehörigen und deshalb nur Teilzeitbeschäftigung (12,5 %)
  • Versorgung eines großen Haushalts ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung (11,8 %)
  • Aufgrund Ausbildung, Studium oder Weiterbildung nur Teilzeitbeschäftigung möglich (8,0 %)
  • Arbeitsweg nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch, deshalb nur Teilzeitbeschäftigung möglich (7,8 %)

Je nachdem, ob Kinder, die noch Betreuung benötigen, im Haushalt leben, sind unterschiedliche Ursachen für die Beschäftigung in Teilzeit verantwortlich: Für 78,2 Prozent der Frauen mit Kindern stellt deren Betreuung und Versorgung der Hauptgrund für Teilzeitbeschäftigung dar. Für Frauen ohne Kinder im Haushalt (oder mit Kindern ab 14 Jahren) ist die Zeit für Freunde und Hobbies der wichtigste Grund für Teilzeitbeschäftigung. Die folgende Tabelle zeigt, dass die Frauen ohne Kinder im Haushalt entweder vergleichsweise jung sind oder den älteren Gruppen nach der Familienphase angehören. Frauen mit Kindern im Haushalt sind am häufigsten in der Altersgruppe von 35 bis 44 Jahren zu finden. Möglicherweise wird an den Daten deutlich, dass viele Frauen nach der Beendigung der Kinderbetreuungsphase Teilzeitbeschäftigung fortsetzen, wenn auch aus anderen Beweggründen. Neben den individuellen Wünschen nach mehr verfügbarer Zeit sind es jedoch nicht selten auch gesundheitliche Einschränkungen und eine nach eigener Einschätzung geringere Belastbarkeit, die als Ursache von Teilzeit relevanter werden. Anders als im öffentlichen Diskurs benannt, spielt die Pflege von älteren Angehörigen bei den Probandinnen nur eine nachgeordnete Rolle für eine Teilzeitbeschäftigung. Nur für 12,5 Prozent der Probandinnen ohne Kinder im Haushalt stellt dies einen Grund für Teilzeitbeschäftigung dar. Etwa gleich hoch ist der Anteil der Befragten, die angeben, dass sich aufgrund von Abzügen eine Vollzeitbeschäftigung finanziell nicht lohne.

Tabelle J: in Teilzeit erwerbstätige Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Altersgruppen* und Haushalt mit oder ohne Kinder, Angaben in Prozent

Altersgruppe Haushalt*
ohne Kinder bis unter 14 Jahren mit Kindern bis unter 14 Jahren Gesamt
bis 24 Jahre9,599,3
25 bis 34 Jahre15,526,920,5
35 bis 44 Jahre7,739,821,8
45 bis 54 Jahre24,120,922,7
55 bis 64 Jahre38,72,222,6
65 Jahre und älter4,61,23,1
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 2.090

Aus den Befunden lässt sich schließen, dass sich die Gründe für Teilzeit im Lebensverlauf von Frauen verändern können. Die entscheidende Frage ist dabei, ob nach dem Wegfall des vordringlichen Grundes für Teilzeit in der Folge andere Gründe greifen, die gleichfalls in Richtung Teilzeitbeschäftigung wirken, oder ob mit dem Wegfall eine Erweiterung des Stundenumfangs möglich wäre.

Individuell wirksame Anreize zur Erhöhung der Arbeitsstunden

Die Mehrzahl der befragten 1.743 Frauen, die derzeit einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, hat sich dazu geäußert, ob und in welchem Maße sich der Wegfall des aktuellen Grundes ihrer Teilzeit zu einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit führen würde. In der folgenden Tabelle sind die Anteile der Befragten, die einen bestimmten Grund für Teilzeitbeschäftigung angegeben haben, und die Anteile derer, die angeben, ein Wegfall dieses Grundes würde zu einer höheren Wochenarbeitszeit führen, gegenübergestellt. Die Prozentwerte in den rechten Spalten sind teilweise höher als in den linken Spalten, da die beiden Fragen unabhängig voneinander beantwortet wurden.

Wie bereits bei den oben beschriebenen Gründen für Teilzeitbeschäftigung zeigt sich auch hier, dass sich die Bedeutsamkeit einzelner Lösung zwischen Frauen, in deren Haushalt Kinder bis unter 14 Jahren leben, und jenen ohne Kinder im Haushalt unterscheidet. Frauen mit Kindern gehen davon aus, dass weniger mütterlicher Betreuungsaufwand, beispielsweise durch den Besuch einer Kindertagesbetreuung, zu einer Aufstockung des Arbeitszeitumfangs führen wird. Hilfen im Haushalt scheinen bei der Hälfte der Frauen mit Kindern denselben Effekt zu haben. Demgegenüber sind die Wirkungen von Hilfen im Haushalt bei Frauen ohne Kinder deutlich schwächer. Da es sich, wie oben gezeigt wurde, oft um Frauen in den mittleren und älteren Altersgruppen handelt, die gegebenenfalls mit Themen wie Krankheit und eingeschränkter Leistungsfähigkeit konfrontiert sind und deshalb die beruflichen Aufgaben weniger gut erfüllen können, ist es plausibel, dass diese Gründe nach wie vor einen Verbleib bei der gleichen Wochenstundenzahl bedingen können. Demgegenüber stellt die Beendigung der Pflege eines Angehörigen für Frauen mit und ohne Kinder im Haushalt einen wichtigen Startpunkt für die Erweiterung des Arbeitszeitumfangs dar. Interessant ist zudem, dass es nur einen geringen Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Frauen in Bezug auf den Faktor Gesundheit und Belastbarkeit gibt. Bei den vermutlich überwiegend älteren Frauen ohne Kinder im Haushalt scheint dieses Thema ungefähr im gleichen Maße wirksam zu sein wie bei den im Schnitt vermutlich jüngeren Frauen mit Kindern im Haushalt. Ähnlich bedeutsam ist für beide Gruppen das Ende von Ausbildung, Weiterbildung und Studium, welches als Ausgangslage zur Erweiterung des Arbeitsumfangs betrachtet wird. Abschließend soll noch auf die sogenannte „unfreiwillige“ Teilzeit eingegangen werden. Bietet der Arbeitgeber die Option einer Stundenaufstockung an, wäre dies sowohl für Frauen mit Kindern als auch für solche ohne Kinder ein Anreiz, die Wochenarbeitszeit tatsächlich zu erweitern. Schwieriger dürften Maßnahmen für die Frauen in „freiwilliger“ Teilzeit zu konzipieren sein. Diejenigen, die „viel Zeit für Freunde und Hobbies haben“ möchten und deshalb in Teilzeit tätig sind, könnten durch „weniger Zeitbedarf für Freunde und Hobbies“ kaum zu einer höheren Wochenarbeitszeit motiviert werden. Die freiwillig gewählte Teilzeit wird in diesem Zusammenhang vermutlich als wenig belastend empfunden. Deutlich wird aber insgesamt, dass viele der Befragten in Teilzeit tätig sind, weil Versorgungs- und Betreuungsstrukturen nicht ausreichen, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder Vorgaben des Arbeitgebers. Solche Gründe liegen außerhalb des persönlichen Entscheidungsspielraums der meisten Frauen, und eine Beschäftigung in Teilzeit stellt für die meisten die naheliegendste und plausibelste Umgangsweise mit den gegebenen Anforderungen dar.

Tabelle K: Gründe* für Teilzeitbeschäftigung und Anlässe* zur Erweiterung der Arbeitszeiten bei erwerbstätigen Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Haushalt, Angaben in Prozent

Individuelle Gründe für Teilzeitbeschäftigung von Frauen Haushalt Änderungen, die die individuelle Erhöhung der Arbeitszeiten aus Sicht der Frauen in Teilzeitbeschäftigung bewirken Haushalt
ohne Kinder bis unter 14 Jahren mit Kindern bis unter 14 Jahren ohne Kinder bis unter 14 Jahren mit Kindern bis unter 14 Jahren
Betreuung eines oder mehrerer Kinder ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung78,2Bedarf nach Kinderbetreuung durch die Mutter geringer81,8
Versorgung eines großen Haushalts ermöglicht nur Teilzeitbeschäftigung11,815,2Hilfe im Haushalt26,950,4
Arbeit ist für Vollzeit zu anstrengend und aus diesem Grunde nur Teilzeit18,611,3Arbeit nicht mehr so anstrengend40,639,8
viel Zeit für Freunde und Hobbies nehmen und deshalb Teilzeitbeschäftigung31,410,8weniger Zeitbedarf für Freunde und Hobbies13,916
Arbeitgeber bietet nur Teilzeitbeschäftigung an18,110,4Arbeitgeber bietet mehr Stunden an5453,9
aufgrund von Ausbildung, Studium oder Weiterbildung ist nur Teilzeit-beschäftigung möglich84,3Ausbildung, Weiterbildung, Studium beendet72,671,9
Pflege eines Angehörigen und deshalb nur Teilzeitbeschäftigung12,57,3keine Pflege für Angehörigen mehr nötig64,363
Krankheit und nur begrenzte Belastbarkeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung18,26,3wieder gesund und belastbar63,558,7
Arbeitsweg nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch, deshalb nur Teilzeitbeschäftigung möglich7,85,6Arbeitswerg nimmt weniger Zeit in Anspruch (bessere ÖPNV-Anbindung, eigenes Auto)37,538,1
bei Vollzeit würden derzeit zu viele Abzüge entstehen, deshalb Teilzeit gewählt12,74,8jetzt bei Vollzeit weniger Abzüge bekommen52,566,7
Bezug von Elterngeld Plus oder Brückenteilzeit und deshalb Teilzeitbeschäftigung2,3Bezug von Elterngeld Plus oder Brückenteilzeit beendet41,2
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *Mehrfachnennungen waren möglich.

Idealerweise werden die Gründe für Teilzeitbeschäftigung im Erwerbsverlauf von Frauen obsolet, so dass Frauen mit einer Erweiterung ihres Arbeitszeitumfangs darauf reagieren können. Darüber hinaus existieren noch weitere Anreize zur Erweiterung des Arbeitsumfangs wie berufliche Aufstiegsoptionen oder der Bedarf an höheren finanziellen Ressourcen, um die Folgen von Inflation zu kompensieren oder Rücklagen für das Alter zu bilden. Die allgemeine Flexibilisierung von Arbeitszeiten scheint ein weiterer wichtiger Treiber für höhere Beschäftigungsumfänge zu sein. Für etwa vier von zehn Frauen mit Kindern bis unter 14 Jahren stellt dies einen wichtigen Anreiz dar. Demgegenüber sind die höheren finanziellen Bedarfe für Frauen ohne Kinder wichtige Anreize, sei dies um die Folgen der Inflation zu kompensieren oder auch, um Rücklagen für das Alter zu bilden. In der folgenden Tabelle werden weitere Faktoren aufgelistet, die als Anreize zur Erhöhung der Stundenzahl in Teilzeit von Frauen führen können.

Tabelle L: Anlässe* für die Erhöung der Arbeitszeiten von erwerbsfähigen Frauen im Jahr 2024, differenziert nach Haushalt, Angaben in Prozent

Änderungen, die die individuelle Erhöhung der Arbeitszeiten aus Sicht der Frauen in Teilzeitbeschäftigung bewirken Haushalt
ohne Kinder bis unter 14 Jahren mit Kindern bis unter 14 Jahren
mehr Aufgaben und deshalb mehr Stunden arbeiten17,814,8
Angebot von Beförderung bei Mehrarbeit16,719,6
Arbeitszeiten flexibler geworden24,940,3
höher Bedarf an Geld wegen Inflation40,242,2
höher Bedarf an Geld wegen Familienzuwachs10,8
höher Bedarf an Geld für Rücklagen im Alter36,631,9
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *Mehrfachnennungen waren möglich.

Während die Probandinnen in den bisherigen Darstellungen vor allem ihre eigene Lage reflektierten, sollen im Folgenden Einschätzungen zur allgemeinen Lage von Frauen in Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt werden. Dabei werden auch die Perspektiven jener Frauen, die derzeit in Vollzeit erwerbstätig sind, jedoch früher in Teilzeit beschäftigt waren, mit einbezogen. Der inhaltliche Fokus soll auf die Gründe gerichtet werden, die dazu führen, dass Frauen ihre Arbeitsstunden reduzieren und jene Gründe, die eine Erweiterung des Arbeitsumfangs begünstigen. Interessant wird sein, ob sich hier – unabhängig von der Reflexion der eigenen Lage – noch neue und weitere Einflussfaktoren zeigen werden.

Gründe, die dazu führen, dass die meisten Frauen ihre Arbeitsstunden reduzieren

Im Folgenden werden die Perspektiven von Frauen, die derzeit in Vollzeit, aber früher in Teilzeit gearbeitet haben, mit denen von Frauen verglichen, die derzeit in Teilzeit tätig sind. Dieser Vergleich wird unternommen, da davon auszugehen ist, dass gerade die Gruppe der in Vollzeit beschäftigen Frauen schon Erfahrungen mit der Aufstockung ihrer Stundenzahlen sammeln konnte und damit über eine entsprechende „Expertise“ verfügt. Möglicherweise sind die Perspektiven in den beiden Gruppen unterschiedlich. Die folgenden Befunde verweisen sowohl auf themenbezogene Unterschiede, aber auch auf viele Gemeinsamkeiten. Insgesamt liegen den Auswertungen in diesem Kapitel 2.146 Fälle zugrunde. Davon sind 1.743 Frauen derzeit in Teilzeit und 403 Frauen in Vollzeit beschäftigt.

Tabelle M: Gründe*, die zur Reduktion der Arbeitszeiten führen 2024, differenziert nach den Einschätzungen erwerbstätiger Frauen in Teilzeit und Vollzeit, Angaben in Prozent

Einschätzungen von Frauen, die derzeit in Teilzeit beschäftigt sind in % Einschätzungen von Frauen, die derzeit in Vollzeit sind und früher in Teilzeit beschäftigt waren in %
wenn Frauen die Betreuung ihrer Kinder nur durch Reduktion der Arbeitsstunden sicherstellen können72,2wenn Frauen die Betreuung ihrer Kinder nur durch Reduktion der Arbeitsstunden sicherstellen können70
wenn Frauen selbst oder ein Familienangehöriger erkrankt oder pflegebedürftig wird63,4wenn Frauen selbst oder ein Familienangehöriger erkrankt oder pflegebedürftig wird63,5
wenn sich Frauen bei der Arbeit überfordert fühlen44,3wenn sich Frauen bei der Arbeit überfordert fühlen47,5
wenn Frauen keinen Spaß an ihrem Beruf haben38,5wenn Frauen keinen Spaß an ihrem Beruf haben43,3
wenn Frauen erben, mehr Unterhalt bekommen, oder wenn der Ehepartner mehr verdient31,2wenn sich Frauen weiterbilden wollen41,9
wenn keine Möglichkeit für Homeoffice besteht29,6wenn Frauen erben, mehr Unterhalt bekommen, oder wenn der Ehepartner mehr verdient34,5
wenn sich Frauen weiterbilden wollen24,6wenn Frauen mehr Zeit für Freunde, Hobby und Ehrenamt brauchen28,8
wenn Frauen mehr Zeit für Freunde, Hobby und Ehrenamt brauchen18,7wenn keine Möglichkeit für Homeoffice besteht26,3
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *Mehrfachnennungen waren möglich.

Unabhängig vom aktuellen Arbeitszeitumfang werden Betreuungs- und Versorgungsaufgaben in Bezug auf Kinder und andere Angehörige als die wichtigsten Gründe für die Reduktion der Wochenarbeitszeit erachtet. Etwas weniger relevant sind Gründe, die sich auf die Arbeit selbst beziehen: Überforderung bzw. keinen Spaß am Beruf zu haben, werden von knapp der Hälfte der Probandinnen als Gründe für eine Reduktion der Arbeitszeiten angeführt.

Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigen sich im unteren Teil der Tabelle. Während für Frauen, die derzeit in Vollzeit beschäftigt sind, berufliche Weiterbildung ähnlich relevant ist wie die arbeitsbezogenen Gründe, spielt sie für die Teilzeitbeschäftigten eine untergeordnete Rolle. Nur ein Viertel der in Teilzeit beschäftigten Frauen verweist auf diesen Grund. Möglicherweise greift hier auch der Befund, dass Beschäftigte in Vollzeit in viel höherem Maße Weiterbildung wahrnehmen, als dies Beschäftigte in Teilzeit tun.[2] Die eigene Erfahrung und der eigene Zugang zu Weiterbildung mögen die jeweiligen Einschätzungen beeinflussen. Der bei der Abfrage der individuellen Gründe genannte Aspekt, mehr Zeit für Freunde und Hobbys zu haben, wird bei einer Gesamtbewertung in seiner Bedeutung relativiert. In beiden Gruppen wird dieser Ursache eine eher nachgeordnete Bedeutung zugeschrieben.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass Betreuungs- und Versorgungslagen aus Sicht der Befragten der Hauptgrund für die Reduktion der Arbeitszeiten bei Frauen darstellen. Ebenfalls relevant sind die Erfahrungen und vermutlich auch der Anspruch an Arbeit, der eben nicht von Überforderung und mangelnder Identifikation mit dem Beruf geprägt sein sollte. Beide Gründe stellen auch wesentliche Ursachen für die Fluktuation von Beschäftigten dar.

Anreize, die zur Erhöhung von Arbeitsstunden in Teilzeit führen

Alle 2.147 Probandinnen wurden um ihre Einschätzung gebeten, unter welchen Bedingungen in Teilzeit beschäftigte Frauen ihren Arbeitszeitumfang erhöhen würden. Auch hier werden die Bewertungen von Frauen, die derzeit in Teilzeit tätig sind, mit jenen der Vollzeitbeschäftigten verglichen.

Tabelle N: Anreize* zur Erhöhung des Stundenumfangs in Teilzeit 2024, differenziert nach Einschätzungen erwerbstätiger Frauen in Teilzeit und Vollzeit, Angaben in Prozent

Einschätzungen von Frauen, die derzeit in Teilzeit beschäftigt sind in % Einschätzungen von Frauen, die derzeit in Vollzeit sind und früher in Teilzeit beschäftigt waren in %
wirtschaftliche Lage der Familie erfordert Erhöhung der Arbeitszeiten72,5wirtschaftliche Lage der Familie erfordert Erhöhung der Arbeitszeiten74,1
ausreichend Kinderbetreuung vorhanden68,8ausreichend Kinderbetreuung vorhanden68,4
Ehepartner übernehmen mehr Aufgaben in der Familie55,1Voraussetzung für beruflichen Aufstieg58,4
ausreichend Pflegeangebote für ältere Angehörige47,4Ehepartner übernehmen mehr Aufgaben in der Familie54,6
Voraussetzung für beruflichen Aufstieg42,3ausreichend Pflegeangebote für ältere Angehörige53,1
fairer Steuersatz, der nicht höher als jener ihrer Ehepartner ist38,6fairer Steuersatz, der nicht höher als jener ihrer Ehepartner ist42,1
altersgerechte Arbeit ist möglich33,2Frauen in Vollzeitbeschäftigung hätten einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert42,4
Frauen in Vollzeitbeschäftigung hätten einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert27,4altersgerechte Arbeit ist möglich40,6
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *Mehrfachnennungen waren möglich. n = 2.147

Neben bereits bekannten Lösungsstrategien im Bereich der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen wird die wirtschaftliche Lage der Familie als starker Anreiz angeführt, der eine Erhöhung des Stundenumfangs erforderlich machen kann. Auch wird das Thema der innerfamiliären Arbeitsteilung genannt, was zuvor noch nicht aufgeschienen war. Übernimmt der Ehepartner mehr Aufgaben in der Familie, kann der Arbeitszeitumfang ausgeweitet werden. Das Thema des fairen Steuersatzes im Vergleich zu den Ehepartnern und der gesellschaftliche Stellenwert von Vollzeitbeschäftigung sind weitere Themen, die als Anreize wirken können. Im Vergleich der beiden Gruppen zeigen sich hierbei kaum Unterschiede.

Darüber hinaus wurden alle Probandinnen gefragt, ob sie persönlich beabsichtigen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. 1.659 Frauen, also 77 Prozent der Befragten, gaben an, dass sie wahrscheinlich (zwei Drittel) oder ganz sicher (ein Drittel) ihre Arbeitszeiten erhöhen werden. Auffällig ist, dass Frauen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von mehr als 3.000 Euro vergleichsweise selten beabsichtigen, ihren Arbeitszeitumfang auszuweiten. Je höher das Einkommen, desto unwahrscheinlicher erscheint eine Ausweitung.

Tabelle O: Anteile erwerbstätiger Frauen, die ihren Arbeitsumfang mit hoher Wahrscheinlichkeit oder ziemlich sicher erhöhen würden im Jahr 2024, differenziert nach Bruttomonatseinkommen, Angaben in Prozent

Bruttomonatseinkommen Anteil der erwerbstätigen Frauen*, die ihren persönlichen Arbeitszeitumfang mit hoher Wahrscheinlichkeit oder ziemlich sicher erhöhen würden
bis unter 1.999 EUR35,8
2.000 bis unter 2.999 EUR26,8
3.000 bis unter 3.999 EUR14,8
4.000 bis unter 4.999 EUR8,3
5.000 EUR und mehr4,2
Quelle: IWAK-Teilzeitbefragung 2024, eigene Auswertung
Anmerkung: *n = 1.553

Die Befunde zeigen, dass die Anreize auf ganz unterschiedlichen Ebenen verortet sind. Von der Versorgungsinfrastruktur über die individuelle wirtschaftliche Lage von Familien und die Arbeitsteilung in der Familie bis hin zu den Arbeitsbedingungen können viele Faktoren als Anreize zur Erhöhung der Arbeitsstunden wirken. Im folgenden Kapitel wird abschließend nach den Möglichkeiten gefragt, die aus Sicht der Probandinnen von Seiten der Politik ergriffen werden können, so dass Frauen umfangreicher als bisher am Erwerbsleben teilnehmen.

Anreize von Seiten der Politik für eine umfangreichere Erwerbsbeteiligung von Frauen

Nahezu alle Probandinnen (n = 2.121) schätzten, unabhängig von ihrer eigenen Situation, jedoch mit Blick auf die Gesamtlage der Frauenerwerbsarbeit in Hessen, die Wichtigkeit einzelner Anreize für eine umfangreichere Erwerbsbeteiligung von Frauen ein. Mehrfachnennungen waren möglich. Es werden die Anteile der Probandinnen ausgewiesen, die dem jeweiligen Anreiz zugestimmt haben. Dabei ergeben sich die folgenden Ergebnisse:

  • Betreuung bedarfsgerecht ausbauen (73,5 %)
  • Tagesbetreuung für Pflegebedürftige erweitern (51,3 %)
  • Vollzeitschulen ausbauen (38,9 %)
  • ÖPNV-Angebote auf dem Land verbessern (36,5 %)
  • Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern schaffen (71,0 %)
  • Steuersystem für Frauen gerechter machen (54,0 %)
  • Frauenquote einführen, so dass Frauen bessere Aufstiegschancen haben (30,0 %)
  • Betriebe für Frauenförderung und bessere Entwicklungschancen für Frauen sensibilisieren (34,3 %)
  • Frauen in Vollzeit als Vorbilder für Mädchen in Kampagnen zeigen (29,3 %)

Die Befunde zeichnen ein relativ klares Bild, das sich inhaltlich mit den schon beschriebenen Ergebnissen deckt. Demnach stellt die bedarfsgerechte Betreuung von (Schul-)Kindern sowie pflegebedürftiger Angehöriger einen der wesentlichen Schlüssel dar, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen. Demgegenüber wird als etwas weniger relevant, jedoch von einem guten Drittel der Probandinnen ergänzend eine ausreichende Mobilität genannt, so dass es gelingt, Arbeits- und Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen miteinander zur Deckung zu bringen. Dazu bedarf es insbesondere Aktivitäten zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots im ländlichen Raum.

Anreize können zudem über eine Verbesserung des erwirtschafteten bzw. des verfügbaren Einkommens gesetzt werden. Fast drei Viertel der Probandinnen geht davon aus, dass Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern als Anreiz für die Erhöhung der Erwerbsarbeit bzw. des Erwerbsumfangs von Frauen wirken würde. Über die Hälfte nimmt zudem an, dass ein Steuersystem, das von Frauen als gerechter als das bisherige wahrgenommen wird, ebenfalls als starker Faktor in dieser Richtung wirken könnte. Die wahrgenommene Benachteiligung von Frauen aufgrund ihrer Lebenslage, gegebenenfalls auch wegen ihrer Berufswahl, die zu durchschnittlich geringeren Bruttoentgelten als bei Männern führt, hat über das Ehegattensplitting zwar eine steuerliche Entlastung von Ehepaaren zur Folge; in der individuellen Perspektive sind die im Schnitt niedrigeren Bruttoeinkommen von Frauen jedoch steuerlich stärker belastet als die höheren ihrer Ehepartner.

Ein dritter Block von Anreizen bezieht sich direkt auf die Erwerbsarbeit bzw. die Betriebe und ist im Vergleich zu den zuvor genannten Anreizgruppen für einen deutlich geringeren Anteil  –  ca. ein Drittel der befragten Frauen – relevant. Die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote wird von 30 Prozent der Probandinnen als wichtiger Anreiz zur Verbesserung der Aufstiegschancen von Frauen und damit der Erhöhung ihrer Entgelte und unter Umständen ihres Erwerbsumfangs gesehen. Ein Drittel der Befragten spricht sich zudem für eine stärkere Sensibilisierung der Betriebe für Frauenförderung und daraus abgeleitete bessere Entwicklungschancen für Frauen aus. Auch dadurch könnte ihrer Einschätzung nach die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht werden. Und schließlich werden Kampagnen befürwortet, die Frauen in Vollzeit zeigen und die als Modelle für Mädchen in der Orientierung auf die Arbeitswelt dienen können. Mit solch einem Anreiz wird die Erwartung verbunden, dass sich junge Frauen verstärkt in Vollzeiterwerbsarbeit einbringen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Befragten sowohl Verbesserungen in der Versorgungsinfrastruktur als auch den Abbau von strukturellen und kulturellen Barrieren in den Betrieben (Stichwort: „gläserne Decke“) als relevante Treiber für eine Erhöhung der Arbeitszeiten von Frauen erachten. Darüber hinaus sprechen sie sich für mehr Gerechtigkeit in Bezug auf Entgelte aus. Fast drei Viertel der Probandinnen sind davon überzeugt, dass die Schaffung von Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern, unter Einschluss eines geschlechtergerechten Steuersystems, als ein wichtiger Anreiz für die Erweiterung der Arbeitszeiten von Frauen fungieren würde. Und an dieser Stelle schließt der Hessische Lohnatlas an. Dieser schafft Transparenz zu den Entgeltlücken zwischen Frauen und Männern in verschiedenen Regionen, Berufsgruppen und Branchen in Hessen. Er zeigt zudem, wo Entgeltlücken im Zeitverlauf geringer werden und sensibilisiert gleichzeitig für jene Bereiche, in denen sich die Lücken seit vielen Jahren kaum verändern. Die damit geschaffene Transparenz soll den Diskurs stimulieren, auch um weitere Anreize zu identifizieren, die einerseits zu mehr Entgeltgleichheit führen und gleichzeitig die Erwerbsbeteiligung von Frauen unter gleichwertigen und gerechten Bedingungen fördern können. Dies erscheint unverzichtbar aufgrund der wachsenden Fach- und Arbeitskräftelücken. Diese können nur geschlossen bzw. verringert werden, wenn es gelingt, mehr Frauen umfangreicher in Erwerbsarbeit zu bringen. Was es dafür bedarf, zeigen die Befunde der hier vorgestellten IWAK-Befragung.

Resümee zu Ausgangslagen für aktuelle Veränderung der Entgeltlagen von Frauen

Die Betreuung von Kindern stellt den Hauptgrund für die Reduktion von Arbeitszeiten oder gar den temporären Ausstieg aus dem Beruf dar. Es wird deutlich, dass das daraus resultierende Teilzeitphänomen auch nach Beendigung der Betreuungsaufgaben nicht selten anhält und durch andere Ursachen (mit)begründet wird. Die Pflege von Angehörigen ist für die meisten erwerbstätigen Frauen nur von geringer Bedeutung. Vielmehr sind es gesundheitliche Einschränkungen, die im Lebensverlauf an Bedeutung gewinnen. Deutlich wird, dass auch jene Frauen, die nach dem Rückgang der Betreuungsaufgaben ihre Arbeitszeiten wieder aufstocken, über lange Strecken ihrer Erwerbsbiografie noch die Folgen davon tragen müssen, indem sie bis zur Rente deutlich weniger als Männer verdienen, die mit vergleichbaren Qualifikationen ins Berufsleben gestartet sind. Die entstehende Lücke spiegelt sich in den niedrigeren Rentenansprüchen wider. Vor diesem Hintergrund sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die grundsätzlich helfen, Erwerbsunterbrechungen zu vermeiden, und ermöglichen, den Erwerbsumfang entsprechend der eigenen Wünsche zu erweitern. Passgenaue Kinderbetreuung sowie bedarfsgerechte, flexible Arbeitszeitmodelle sind die entsprechenden Ansätze. Beide stellen auch wichtige Voraussetzungen dar, Aufstiege und damit höhere Entgelte zu realisieren. Allerdings bedarf es dafür noch deutlicher Veränderungen in den Betriebskulturen. Der Abbau von Geschlechterstereotypen hin zu mehr Diversität und Inklusion sowie praktische Lösungen wie Führung in Teilzeit weisen in die richtige Richtung. Allerdings kann die Veränderung der Betriebskulturen nicht losgelöst von den Anreizen in der Regulierung wie dem Ehegattensplitting oder der Familienmitversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung betrachtet werden, die ein traditionelles Geschlechterverhältnis stärken. Auch hier bedarf es Öffnungen und vor allem eines gesellschaftlichen Diskurses zur Modernisierung der Geschlechterrollen. Die Ausführungen zu den internationalen Frauen in oberen Führungsfunktionen, die von Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht als Vorbild oder Modell wahrgenommen werden, obwohl diese in einer Gesellschaft mit gleichen Rahmenbedingungen aber eben einem unterschiedlichen individuellen Geschlechterverständnis leben, machen die Dringlichkeit deutlich. Die kulturelle Umwertung sollte zudem den Bereich der Berufsorientierung einschließen, um die nach wie vor bestehende Wirkmächtigkeit der geschlechterspezifischen Berufswahl und der damit einhergehenden unterschiedlichen Entgeltniveaus zu durchbrechen. Darüber hinaus sind die Aktivitäten zur Arbeitsbewertung in den Dienstleistungsberufen und deren Aufwertung zu unterstützen.

Exkurs: Frauen in schwierigen wirtschaftlichen Lagen: Alleinerziehende, Arbeitslose und Beschäftigte im unteren Entgeltbereich auf Basis öffentlicher Daten

Die Preise für Privathaushalte sind seit Beginn des Jahres 2022 stark angestiegen, verbunden mit einer wachsenden Inflation, die sich beispielsweise auch auf die Lebensmittelpreise auswirkt. Besonders herausfordernd gestaltet sich die Lage von arbeitslosen alleinerziehenden Frauen, die vorrangig die wirtschaftliche Verantwortung für ihre Kinder und sich selbst tragen. Für Alleinerziehende ist es besonders schwer, Kindererziehung und Beruf zu vereinbaren, weil entweder die Kinderbetreuung nicht im erforderlichen Maße gesichert werden kann oder aber Arbeitszeitwunsch und -angebot nicht zusammenpassen. Ein Grund dafür liegt auch darin, dass Alleinerziehende überdurchschnittlich oft in Berufen tätig sind, in denen kein mobiles Arbeiten, welches eine höhere Flexibilität mit sich bringen könnte, möglich ist.

Die Mehrheit der Alleinerziehenden sind Frauen. In Hessen wurden im Jahr 2023 insgesamt 143.000 Frauen als Alleinerziehende erfasst. Demgegenüber hatten nur 32.000 Männer diesen Status. Die Betrachtung im Zeitverlauf zeigt, dass die Zahl alleinerziehender Väter eher zunimmt, während die Zahl alleinerziehender Mütter im Zeitverlauf schwankt.

Im Jahr 2023 sind 14.868 Alleinerziehende arbeitslos. In Tabelle 1 sind Jahresdurchschnittswerte abgebildet. Abweichungen zwischen der ausgewiesenen Gesamtsumme und der tatsächlichen Summe der Teilergebnisse sind aufgrund unterschiedlicher Merkmalstiefen, Auslassung von Kategorien und Rundungen möglich. Bei 93 Prozent der arbeitslosen Alleinerziehenden handelt es sich um Frauen. 1.354 arbeitslose Alleinerziehende erhalten Leistungen im Rechtskreis SGB III und können mit hoher Wahrscheinlichkeit als arbeitsmarktnah gelten. Demgegenüber sind 13.514 arbeitslose Alleinerziehende dem Rechtskreis SGB II zugehörig. In Bezug auf die weiblichen Alleinerziehenden befinden sich 8,5 Prozent im Rechtskreis SGB III und 91,5 Prozent im Rechtskreis SGB II. Bei den männlichen Alleinerziehenden gehören 83,1 Prozent zum Rechtskreis SGB II und 16,9 Prozent zum Rechtkreis SGB III.

Der Anteil der alleinerziehenden Arbeitslosen mit einer nicht deutschen Staatsangehörigkeit beträgt 54,1 Prozent. Bei den weiblichen Alleinerziehenden verfügen 55,0 Prozent über keine deutsche Staatsangehörigkeit, bei den männlichen Alleinerziehenden trifft dies auf 40,8 Prozent zu. Der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit liegt im Rechtskreis SGB II bei 56,9 Prozent, während der Anteil im Rechtskreis SGB III 25,5 Prozent ausmacht. Beim Personenkreis mit deutscher Staatsangehörigkeit können Personen mit Migrationshintergrund enthalten sein.

Tabelle P: Zahl arbeitsloser Alleinerziehenden* im Jahr 2023 in Hessen (Wohnort), differenziert nach Rechtskreisen, Geschlecht und Staatsangehörigkeit

Rechtskreis insgesamt deutsch nicht deutsch Männer deutsche Männer nicht deutsche Männer Frauen deutsche Frauen nicht deutsche Frauen
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik, IWAK eigene Berechnung und Darstellung
Anmerkung: *In Anlehnung an die „Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD)“ gelten als Beschäftigte des unteren Entgeltbereichs Personen, die als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte weniger als 2/3 des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielen. Dies ist die Schwelle des unteren Entgeltbereichs. Diese lag in Westdeutschland im Jahr 2021 bei 2.417 EUR.

Mit Blick auf die verschiedenen Typen von Bedarfsgemeinschaften im SGB II-Bezug wird deutlich, dass die Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender dort überproportional stark vertreten sind. Dies zeigt sich an der SGB II-Hilfequote. Diese gibt an, wie groß der Anteil an Personen, die nach dem SGB II leistungsberechtigt sind, an einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist, und verdeutlicht damit, wie stark Alleinerziehende von Hilfebedürftigkeit betroffen sind. SGB II-Hilfequoten für Bedarfsgemeinschaften setzen Bedarfsgemeinschaften des jeweiligen Familientyps in Beziehung zu allen Familien oder Lebensformen desselben Familientyps in der Bevölkerung. Demnach sind im Jahr 2021 genau 33,5 Prozent aller Alleinerziehenden in Hessen hilfebedürftig und erhalten Leistungen nach den Regelungen des SGB II. Demgegenüber erhalten beispielsweise nur 7,2 Prozent aller Paare mit Kindern in Hessen SGB II-Leistungen. Die Alleinerziehenden sind damit im Vergleich zu anderen Zielgruppen mit Abstand am häufigsten auf diese staatlichen Transferleistungen angewiesen, da sie entweder aufgrund von Erwerbslosigkeit oder geringer Lohnentgelte über kein oder nur ein nicht ausreichendes Erwerbseinkommen verfügen, um sich selbst und ihre Kinder wirtschaftlich abzusichern.

In ebenfalls schwierigen wirtschaftlichen Lagen befinden sich vermutlich Frauen und Männer in den unteren Entgeltgruppen. Zum einen sind viele Beschäftigungsverhältnisse in diesem Segment äußerst fragil. Die gewünschte Funktion als Sprungbrett zum Aufstieg in bessere, abgesicherte Beschäftigung hat sich für viele nicht erfüllt.

Es sind jedoch nicht nur Frauen und Männer in geringfügiger Beschäftigung, die sich in schwierigen wirtschaftlichen Lagen befinden. Frauen und Männer in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung können ebenfalls den unteren Entgeltgruppen angehören und sich mit akuten wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert sehen. Darüber hinaus können sich sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte in den unteren Entgeltgruppen auch keine guten Voraussetzungen für eine auskömmliche Alterssicherung aufbauen. In Anlehnung an die Definition der OECD gehören den unteren Einkommensgruppen bzw. dem unteren Entgeltbereich sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte an, wenn sie weniger als zwei Drittel des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten erzielen. Im Jahr 2021 lag der Schwellenwert zum unteren Entgeltbereich in Westdeutschland bei 2.417 Euro. In Hessen gehören im Jahr 2021 insgesamt 262.837 sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte der unteren Entgeltgruppe an. Dies entspricht einem Anteil von 15,2 Prozent. Die Mehrzahl davon ist männlich (152.004), 13 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Männer sind betroffen. Die Zahl der Frauen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit ist mit 110.833 Frauen geringer. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass im Schnitt nur ca. die Hälfe aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Vollzeit tätig sind, während die Quote bei Männern deutlich höher liegt. Die Quote der Frauen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung im unteren Entgeltbereich ist im Vergleich zu jener von Männern mit 19,9 Prozent deutlich höher. Dies bedeutet, dass ca. ein Fünftel aller sozialversicherungspflichtig in Vollzeit tätiger Frauen in Hessen dem unteren Entgeltbereich angehört. Dies bezieht sich auf die Bruttomonatsentgelte, die Wirkungen des Ehegattensplittings sind nicht antizipiert.

Tabelle Q: Sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte im unteren Entgeltbereich* zum 31.12.2021 in Hessen (Arbeitsort), differenziert nach Geschlecht

Region sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) in Vollzeit (VZ) ohne Auszubildende am Arbeitsort insgesamt davon im unteren Entgeltbereich
gesamt Anteil in VZ Männer Anteil SvB-Männern in VZ Frauen Anteil SvB-Frauen in VZ
absolut absolut % absolut % absolut %
Hessen 1.730.623 262.837 15,2 152.004 13,0 110.833 19,9
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik, IWAK eigene Berechnung und Darstellung
Anmerkung: *In Anlehnung an die „Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD)“ gelten als Beschäftigte des unteren Entgeltbereichs Personen, die als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte weniger als 2/3 des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielen. Dies ist die Schwelle des unteren Entgeltbereichs. Diese lag in Westdeutschland im Jahr 2021 bei 2.417 EUR.

Tabelle R: Sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte im unteren Entgeltbereich* zum 31.12.2023 in Hessen (Arbeitsort), differenziert nach Geschlecht

Region sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (SvB) in Vollzeit (VZ) ohne Auszubildende am Arbeitsort insgesamt davon im unteren Entgeltbereich
gesamt Anteil in VZ Männer Anteil SvB-Männern in VZ Frauen Anteil SvB-Frauen in VZ
absolut absolut % absolut % absolut %
Hessen 1.766.092 230.659 13,1 132.773 11,1 97.886 17,1
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik, IWAK eigene Berechnung und Darstellung
Anmerkung: *In Anlehnung an die „Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD)“ gelten als Beschäftigte des unteren Entgeltbereichs Personen, die als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte weniger als 2/3 des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielen. Dies ist die Schwelle des unteren Entgeltbereichs. Diese lag in Westdeutschland im Jahr 2021 bei 2.417 EUR.

Deutschlandweit liegen die Anteile der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich sogar etwas höher als in Hessen. Dabei sind die Anteile in Deutschland im Zeitverlauf stärker rückläufig als in Hessen.

Die Anteile der Personen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung, die dem unteren Entgeltbereich angehören, schwanken zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten in Hessen beträchtlich. Im Schnitt sind die Anteile in den kreisfreien Städten geringer als in den ländlich strukturierten Kreisen. Eine Ausnahme stellt die Stadt Offenbach dar, wo die Anteile etwas höher ausfallen als in den übrigen kreisfreien Städten. Bei den Kreisen sind die Quoten in jenen Regionen, die nahe an den urbanen Bereichen gelegen sind oder durch gute Verkehrsverbindungen mit diesen verbunden sind, etwas niedriger als in den Kreisen an den Rändern des Bundeslandes. In allen Gebietskörperschaften sind die Anteile von Frauen im unteren Entgeltbereich höher als jene der Männer. Allerdings sind die Abstände unterschiedlich groß. Während die Anteile von Frauen in den ländlich strukturierten Kreisen deutlich größer als jene der Männer ausfallen, sind die Abstände in den Städten deutlich geringer.

Die Anteile von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich variieren auch zwischen den Branchen stark. Dies zeigt sich sowohl mit Blick auf Deutschland als auch auf Hessen. Besonders hoch sind die Anteile im Gastgewerbe, in der Land- und Forstwirtschaft und in der Arbeitnehmerüberlassung. Die niedrigsten Anteile finden sich demgegenüber im Bereich der Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sowie in der Informations- und Kommunikationsbranche. Hessen unterscheidet sich dabei strukturell nicht von Deutschland.

Auch die Anteile von Frauen und Männern im unteren Entgeltbereich unterscheiden sich in Hessen je nach Branche. Die höchsten Anteile von Frauen und Männern in den unteren Entgeltbereichen sind in den drei Branchen Gastgewerbe, Land- und Forstwirtschaft sowie Arbeitnehmerüberlassung zu finden. Hohe Frauenanteile finden sich zudem im Handel, im Baugewerbe, in der Altenpflege (entspricht Heime und Sozialwesen), in der Logistik (Verkehr und Lagerei), im Gesundheitswesen, in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der Chemiebranche.

Im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte wird zudem deutlich, dass bei Branchen mit besonders hohen Anteilen an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in den unteren Entgeltgruppen deutliche Unterschiede zwischen den Gebietskörperschaften bestehen. Nachfolgend ist anzumerken, dass bei einer zu geringen Anzahl an Beschäftigten die Aussagekraft von Entgeltverteilungen eingeschränkt ist. Deshalb veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit keine Daten zu Entgeltverteilungen, Medianentgelten und Beschäftigten im unteren Entgeltbereich in Regionen bzw. bei Merkmalskombinationen mit weniger als 500 Beschäftigten. In diesen Fällen wurde der entsprechende Wert durch ein „-“ in den folgenden Grafiken ersetzt.

Im Gastgewerbe beträgt der durchschnittliche Anteil sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigter im unteren Entgeltsegment 42,6 Prozent. Die Anteile schwanken zwischen 62,7 im Schwalm-Eder-Kreis und 33,2 Prozent in der kreisfreien Stadt Frankfurt am Main. In der Diskussion um die unteren Entgeltbereiche ist zu berücksichtigten, dass die Lebenshaltungskosten im Vergleich der hessischen Kreise und kreisfreien Städte deutlich variieren. Das Gastgewerbe gehört zum Abschnitt I in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

In der Branche Arbeitnehmerüberlassung befinden sich in Hessen im Schnitt 50,7 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltsegment. Wiederum zeigen sich hier deutliche Unterschiede zwischen den kreisfreien Städten und Kreisen in Hessen: Während der Kreis Offenbach einen Anteil von 79,8 Prozent verzeichnet, sind es im Main-Taunus-Kreis nur 21,3 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigen, die dem unteren Entgeltsegment im Jahr 2023 angehören. Die Arbeitnehmerüberlassung gehört zum Abschnitt N, Gruppe 782 und 783 in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

Ebenfalls hoch sind die Anteile der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich in der Branche Verkehr und Lagerei. In Hessen gehören im Jahr 2023 im Schnitt 20,6 Prozent, also ein Fünftel der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten den unteren Entgeltgruppen an. Die Unterschiede in den Anteilen sind zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten in Hessen beträchtlich. Die höchsten Anteile zeigen sich im Kreis Hersfeld-Rotenburg mit 40,6 Prozent, während die geringsten Anteile in der Stadt Frankfurt am Main mit 9,3 Prozent gemessen werden. Beide Gebietskörperschaften haben in ihrer Wirtschaftsstruktur einen Schwerpunkt in der Logistik; während im Kreis Hersfeld-Rotenburg eher die Paketlogistik vorherrscht, ist in der Stadt Frankfurt die Luftfracht im Fokus. Unterschiedliche Entgeltgefüge und unterschiedliche Lebenshaltungskosten sind in diesem Zusammenhang sicherlich zu berücksichtigen. Verkehr und Lagerei gehören zum Abschnitt H in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

Die Anteile der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich sind auch in der Branche Handel im Jahr 2023 hoch. In Hessen gehören im Schnitt 17,6 Prozent, also ein knappes Fünftel der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten den unteren Entgeltgruppen an. Die folgende Abbildung veranschaulicht die teils großen Unterschiede in den Anteilen zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten. Die höchsten Anteile finden sich mit 37,0 Prozent im Werra-Meißner-Kreis. Die niedrigsten Anteile werden im Main-Taunus-Kreis mit 9,1 Prozent gemessen. Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kraftfahrzeugen gehören zum Abschnitt G in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

In der Branche Gesundheitswesen sind dem unteren Entgeltbereich in Hessen 14,3 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten zuzuordnen. Etwas weniger als ein Sechstel der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten gehören im Jahr 2023 den unteren Entgeltgruppen an. Auch hier variieren die Anteile zwischen den Gebietskörperschaften. Die höchsten Anteile zeigen sich im Main-Taunus-Kreis mit 24,4 Prozent. Die geringsten Anteile werden in der kreisfreien Stadt Offenbach mit 9,8 Prozent gemessen. Das Gesundheitswesen gehört zum Abschnitt Q, Abteilung 86 in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

Hohe Anteile der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten zählen auch in der Branche Heime und Sozialwesen im Jahr 2023 zum unteren Entgeltbereich. 12,0 Prozent, also etwas weniger als ein Sechstel der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten, gehören den unteren Entgeltgruppen an. Im Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte schwanken die Anteile zwischen maximal 26,3 Prozent im Kreis Marburg-Biedenkopf und minimal 8,7 Prozent in der Stadt Darmstadt. Heime und Sozialwesen gehören zum Abschnitt Q, Abteilung 87 und 88 in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

Die Ausführungen zum unteren Entgeltbereich von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten verdeutlichen, dass Frauen von niedrigen Entgelten deutlich stärker betroffen sind als Männer. Dies trifft auf alle Kreise und kreisfreien Städte in Hessen zu. Jedoch sind die Anteile von Frauen und Männern im unteren Entgeltbereich in den ländlich strukturierten Kreisen des Landes Hessen mit deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten als in den Großstädten besonders hoch. Die beträchtlichen Anteile von Beschäftigten in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit im unteren Entgeltbereich sind weiter im Blick zu behalten, vor allem vor dem Hintergrund der gestiegenen finanziellen Belastungen durch höhere Energie- und Lebensmittelpreise.

Zentrale Befunde

  • Im Jahr 2023 beträgt die Lohnlücke der Einwohnerinnen und Einwohner in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung in Hessen noch 8 Prozent. Nach der Pandemie hat sich die Entgeltungleichheit auf dem gleichen Niveau verringert wie in der Vorpandemiezeit.
  • Die Größen der Lohnlücke variieren zwischen den Kreisen und kreisfreien Städte in Hessen stark, sind jedoch überall in Hessen zwischen 2012 und 2023 deutlich kleiner geworden, besonders groß fallen die Rückgänge in den Lohnlücken in strukturschwachen Kreisen an den Rändern des Bundeslandes nach dem Ende der Pandemie aus.

Befunde zur Entgeltgleichheit von Einwohnerinnen und Einwohnern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung in Hessen

  • Im Jahr 2023 beträgt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung 8 Prozent und ist somit um einen Prozentpunkt geringer als noch im Jahr 2021. Der Rückgang entspricht ungefähr der Entwicklungsdynamik vor der Pandemie. Damit scheinen die Sondereffekte der Pandemie abgeklungen zu sein. Die Lohnlücken bewegen sich im Jahr 2023 zwischen 16,4 Prozent im Kreis Hersfeld-Rotenburg und einem Überhang von 1,5 Prozent in der Stadt Offenbach. Schon bei der Erfassung der Lohnlücken in den Vorjahren erweisen sich diese in den urbanen Gebieten im Schnitt kleiner als in den ländlich geprägten Regionen des Bundeslandes. Von 2012 bis 2023 sind die Entgeltlücken um 7,9 Prozentpunkte gesunken, sodass die durchschnittliche Lohnlücke mittlerweile nur noch halb so groß ist wie im Jahr 2012.
  • Im Vergleich der Qualifikationsniveaus sind die Lohnlücken zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung unterschiedlich groß. Die größten Entgeltlücken bestehen bei sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten mit akademischen Abschlüssen. Frauen mit akademischen Abschlüssen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeit verdienen im Jahr 2023 im Schnitt 23,6 Prozent weniger als Männer mit vergleichbarer Qualifikation. Die Lohnlücken bei Personen mit und ohne Berufsabschluss sind dagegen vergleichsweise gering. In den Jahren 2022 und 2023 haben sich die Lohnlücken bei sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten ohne Berufsabschluss im Vergleich der drei Qualifikationsniveaus am stärksten verringert, der Rückgang beträgt 1,2 Prozentpunkte. Dies könnte mit der Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2022 zu tun haben. Die Verringerung der Lohnlücke bei akademisch Qualifizierten und den Beschäftigten mit Berufsabschluss zeigt weniger Entwicklungsdynamik als bei den Beschäftigten ohne Berufsabschluss.
  • Einwohnerinnen und Einwohner in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit verdienen im Jahr 2023 weniger als jene mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist bei Beschäftigten mit ausländischer Staatsangehörigkeit allerdings deutlich geringer ausgeprägt als bei jenen mit deutscher Staatsangehörigkeit.
  • Im Jahr 2023 sind die Lohnlücken in einzelnen Berufssektoren noch sehr unterschiedlich. Entgeltgleichheit ist in den Produktions- oder MINT-Berufen nahezu erreicht. Auch in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen und den kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen sind die Lücken im Durchschnitt mit 6,1 Prozent und 6,9 Prozent bereits gering.

Befunde zur Entgeltgleichheit in Betrieben und Branchen in Hessen

  • Bei Betrieben mit Standort in Hessen werden die Lohnlücken zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung differenziert nach den Anforderungsniveaus von Stellen erfasst. Die größten Lohnlücken bestehen bei Stellen mit den Funktionen Experte oder Spezialist. Beide Stellenniveaus beziehen sich auf komplexe Anforderungen, oft in Verbindung mit Führungsverantwortung, und sind mit hohen Entgelten verbunden. Im Zeitverlauf von 2012 bis 2023 verringern sich dort die Entgeltlücken nur langsam. Deutlich kleiner ist die Lohnlücke bei Stellen für Fachkräfte. Diese nimmt im Zeitverlauf bis vor der Pandemie dynamisch ab. Während der Pandemie tritt dann eine Stagnation ein, die ab 2023 wieder Dynamik aufnimmt und einen Wert von 3,5 Prozent erreicht. Damit ist Entgeltgleichheit für Fachkräfte fast erreicht. Interessant sind die Entwicklungen der Lohnlücken bei den Helferfunktionen: Seit 2020 sind diese um über fünf Prozentpunkte zurückgegangen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bilden sich hier Effekte der Mindestlohnerhöhungen ab. Im Jahr 2023 wird eine Lohnlücke in der Größenordnung von 7,0 Prozent erreicht.
  • Die Lohnlücken auf den einzelnen Anforderungsniveaus werden zudem durch die Berufssektoren, denen die Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber angehören, beeinflusst. Bei Stellen für Fachkräfte wird deutlich, dass diese bei einer Besetzung mit personenbezogenen Dienstleistungsberufen oder kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen Entgeltgleichheit erreicht haben. Anders stellt sich die Lage bei den Produktions- und MINT-Berufen dar. Dort bestehen noch Lohnlücken zwischen Frauen und Männern, die jedoch mit 4,9 Prozent im Jahr 2023 schon klein sind. Bei Stellen mit der Funktion Spezialist sind die Lohnlücken besonders in den kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen mit über 20 Prozent hoch. Bei den Stellen mit der Funktion Experte trifft dies zudem noch auf deren Besetzung mit Produktions- und MINT-Berufen zu. Auch dort entsprechen die Lohnlücken knapp 20 Prozent. Die Verringerung der Entgeltlücken in den Jahren 2022 und 2023 trifft nicht für alle Konstellationen von Stellenniveaus und Berufssektoren zu. Teilweise stagniert die Lohnlücke oder nimmt sogar zu. Deshalb bedarf es differenzierter Betrachtungen der Kombinationen von Stellenniveaus und Berufssektoren, um der Heterogenität der Entwicklung der Lohnlücken in den Betrieben in Hessen gerecht zu werden. Eine hohe Transparenz erweist sich als wesentliche Grundlage dafür, dass zielgenaue Maßnahmen zur Verbesserung der Entgeltgleichheit möglich werden. Bei der Differenzierung nach Altersgruppen und Arbeitszeiten in den Berufssektoren zeigt sich das Muster, dass Frauen ab 35 Jahren vergleichsweise häufig in Teilzeit wechseln und die Anteile in Vollzeit sinken. Diese Entwicklung setzt sich auch in den höheren Altersgruppen in den meisten Branchen fort.
  • In den zehn großen Branchen in Hessen variieren die Größen der Lohnlücken zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung beträchtlich. Sie reichen von der erreichten Entgeltgleichheit in der Erziehung oder der Pharmabranche bis zu Lohnlücken von knapp 18 Prozent im Krankenhausbereich sowie dem Kunststoff- und dem Bankengewerbe. Die Daten schaffen Transparenz, um Diskurse zur Entgeltgleichheit in den Branchen in Hessen zu führen.

Befunde zur Entgeltgleichheit in den Kreisen und kreisfreien Städten Hessen

  • Die bestehende Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung hat sich seit den Pandemiejahren in allen hessischen Kreisen und kreisfreien Städten verringert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sonderlagen während der Pandemie, die eine höhere Dynamik bei der Verringerung der Lohnlücken besonders im Jahr 2020 erzeugt hatten, nun nicht mehr wirksam sind. Die Entwicklung von 2022 bis 2023 wird als Indikator dafür aufgefasst, dass sich die Entwicklungsdynamik aus der Vorpandemie wiedereinstellt. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass die Verringerung der Entgeltungleichheit nicht in allen Regionen gleichmäßig stattfindet. Während in einigen ländlichen Regionen in Hessen erhebliche Unterschiede bei den Lohnlücken zwischen Frauen und Männern zu verzeichnen sind, gilt Entgeltgleichheit in fast allen kreisfreien Städten beinah als erreicht.
  • In Bezug auf die Lohnlücken in den drei Berufssektoren lässt sich kein eindeutiges Muster innerhalb der hessischen Kreise und kreisfreien Städte erkennen. Dennoch ist es zu vermerken, dass Frauen in sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung größere Chancen haben, in Produktions- und MINT-Berufen im Schnitt hohe Entgelte zu erreichen. In kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen besteht eine weitere Möglichkeit für hohe Entgelte, jedoch ist hier die größte Entgeltungleichheit in meisten Kreisen und kreisfreien Städten zu verzeichnen. Die höchsten Frauenanteile finden sich in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen. Die Lohnlücken in diesem Berufssektor fallen jedoch niedriger wie bei den zuvor genannten Sektoren aus.
  • Die Lohnlücken bei Anforderungsniveaus Spezialist und Experte sind im Vergleich zu den Anforderungsniveaus Helfer und Fachkraft ausnahmslos in allen hessischen Kreisen und kreisfreien Städten auffallend groß. Dies trifft insbesondere auf die kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufe zu. Hingegen findet sich auf dem Anforderungsniveau Fachkraft in Berufssektoren, Ausnahme sind allerdings Produktions- und MINT-Berufe, eine ausgeglichene Entgeltsituation. Entgeltgleichheit auf dem Anforderungsniveau Helfer ist fast in allen kreisfreien Städten und wenigen Kreisen in Hessen so gut wie erreicht. Für dieses Anforderungsniveau zeigt sich in kaufmännischen und wirtschaftlichen Dienstleistungsberufen eine gegensätzliche Entwicklung. In den meisten Kreisen und kreisfreien Städten sind hier Lohnlücken im zweistelligen Bereich festzustellen.
  • Bei der Hälfte von Kreisen und kreisfreien Städten in Hessen liegt hinsichtlich der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen, der Anteil der in Vollzeit Beschäftigten über oder nur bei knapp 50 Prozent. Bei der zweiten Hälfte der hessischen Gebietskörperschaften, insbesondere im ländlichen Raum, liegt der Vollzeitanteil bei allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen deutlich darunter. Es bietet sich an, brachliegende Beschäftigungspotenziale von Teilzeitbeschäftigten noch besser zu erschließen. Dies kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Lohnlücken weiterhin zu verringern. Ebenso empfiehlt es sich, aktiv die Erhöhung der Frauenanteile auf den hohen Anforderungsniveaus Spezialist und Experte zu forcieren.