
Liebe Leserinnen und Leser,
Ihnen liegt der vierte Hessische Lohnatlas vor, der Daten bis zum Jahr 2023 enthält und wieder neue Themen aufnimmt. Der zentrale und erfreuliche Befund ist, dass die Lohnlücke deutlich kleiner geworden ist und im Jahr 2023 noch 8,0 Prozent beträgt. Im Jahr 2021 betrug diese 9,0 Prozent und war noch von den Sondereffekten der Pandemie bestimmt. Mit den Daten des Jahres 2023 werden nun Daten präsentiert, die an die Entwicklungsdynamiken der Vorpandemiezeit wieder anschließen.
Seit 2012 werden die Lohnlücken in Hessen statistisch erfasst. Innerhalb dieses Zeitraums ist ein erfreulicher Rückgang um 7,9 Prozentpunkte festzustellen. Dies bedeutet, dass sich die Lohnlücke halbiert hat. Allerdings ist die Lage der Lohnlücken hinsichtlich einzelner Regionen, Berufsgruppen und Branchen oder Stellenniveaus durchaus heterogen.
Es lassen sich immer mehr Bereiche identifizieren, in denen bereits Entgeltgleichheit erreicht ist. Dazu gehören im Jahr 2023 weiterhin die Großstädte des Rhein-Main-Gebiets und die Pharmabranche in Hessen. Besonders bemerkenswert sind zudem die Entwicklungen in einigen ländlichen und eher strukturschwachen Kreisen. Hier hatten sich bisher sehr große Lohnlücken bei Vollzeitbeschäftigten gezeigt. Seit dem Ende der Pandemie haben sich nun die Lohnlücken stark verringert. Der Grund dafür liegt in den durchschnittlich höheren Bruttomonatsentgelten von Frauen. Es erscheint plausibel davon auszugehen, dass der hohe Fach- und Arbeitskräftemangel in diesen Regionen dazu geführt haben könnte, dass Frauen eher oder besser aufsteigen konnten als bisher und dadurch höhere Entgelte erzielen konnten. Jedoch sind noch Bereiche mit großen zweistelligen Lohnlücken sichtbar. Dazu gehören nach wie vor die akademisch Qualifizierten, die Stellen mit Anforderungsniveau Experte und Spezialist mit Führungsverantwortung. Selbst innerhalb einer Branche, einer Gebietskörperschaft oder eines Berufssektors existieren parallel Lohnlücken und bereits erreichte Entgeltgleichheit. Wichtig ist mir, dass die Richtung im Gesamtüberblick stimmt. Dies belegen die Daten in der neuen Ausgabe des Hessischen Lohnatlas.
Darüber hinaus ist der Hessische Lohnatlas seit 2023 bei der im Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales angesiedelten Stabsstelle Fachkräfte für Hessen verortet. Damit wird der enge Zusammenhang von Fach- und Arbeitskräftesicherung mit der Entwicklung der Entgeltgleichheit nochmals gestärkt. Als wesentliche Strategie der Fach- und Arbeitskräftesicherung in Hessen gilt die Hebung bisher brachliegender Potenziale, was gerade im Falle von Frauen besonders zutrifft. Denn 50 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Hessen sind in Teilzeit beschäftigt. Eine Erweiterung des Arbeitszeitumfangs würde einen wichtigen Mehrwert für die Fach- und Arbeitskräftesicherung darstellen und gleichzeitig könnten erweiterte Arbeitszeiten zu einer besseren individuellen wirtschaftlichen Absicherung von Frauen bis hin zur besseren Sicherung des Lebensunterhalts im Rentenalter führen. Aus diesem Grund ist dieses Thema in dieser Ausgabe des Hessischen Lohnatlas der Präsentation der Entgeltdaten vorangestellt. Es werden Befunde aus einer Befragung von in Teilzeit beschäftigten Frauen in Hessen aus dem Jahr 2024 vorgestellt. Neben den Gründen, die zu einer Teilzeitbeschäftigung führen, wird aufgezeigt, mit welchen Anreizen die Aufstockung von Arbeitszeiten erreicht werden könnte und welche Rahmenbedingungen dabei von Vorteil wären. Daraus lassen sich weitere wichtige Anhaltspunkte beispielsweise für unsere Dialogformate mit den Sozialpartnern und den kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Hessen ableiten. Erwähnen möchte ich hier zudem, dass erstmals Erkenntnisse zu den Ursachen der Entgeltungleichheit und zu Ansätzen zu deren Abbau aus den Dialogen mit den Sozialpartnern in der Einleitung des jetzigen Lohnaltas eingebunden wurden.
Und schließlich darf ich Sie noch auf eine weitere Neuerung hinweisen. Soweit dies möglich war, werden Lohnlücken verschiedener Altersgruppen miteinander verglichen. Daran können wir ablesen, an welchen Stellen im Erwerbsverlauf Lohnlücken entstehen und wie sich diese bis zum Ende des Erwerbsverlaufs verfestigen oder auch wieder auflösen können. Die differenzierten Analysen im Branchenvergleich eröffnen uns neue Erkenntnisse, die bei der Entwicklung von Unterstützungsstrukturen zur Verbesserung der Entgeltgleichheit hilfreich sein können. Ich hoffe, dass diese interessanten Analysen für Ihre Arbeit nützlich sind. Melden Sie uns gerne Ihre Erfahrungen zurück.
Im Hessischen Lohnatlas werden die heterogenen Lagen der Lohnlücken in den umfangreichen Datenbeständen nachgezeichnet. Damit schaffen wir Transparenz und so eine Grundlage für Dialoge und Maßnahmen zur Verbesserung der Entgeltgleichheit im Land. Ich freue mich, dass der Hessische Lohnatlas in großem Umfang genutzt und damit der wichtige Dialog über Entgeltgleichheit weiter vorangebracht wird. Auch die jetzt verfügbare vierte Auflage liegt im digitalen Format vor. Damit können einzelne Themen gezielter gefunden, eigene Analysen durchgeführt und die Befunde auf einfache Weise geteilt werden.
Im Rahmen der Rückmeldungen von kommunalen Frauenbeauftragten und der Beiträge der Sozialpartner in unseren gemeinsamen Dialogen mit den zehn größten Branchen in Hessen im Jahr 2024 und dem Austausch während zahlreicher interaktiver Formate in den Jahren 2023 und 2024 haben viele Menschen daran mitgewirkt, die richtigen Themen für die Praxis im Hessischen Lohnatlas zusammenzuführen. Ausgesprochen wichtig im Diskurs um Entgeltgleichheit ist zudem die besondere Situation von Alleinerziehenden, von Menschen in den unteren Entgeltgruppen und von Migrantinnen und Migranten. Es freut mich daher sehr, dass deren Entgeltlage in dieser vierten Auflage wieder eine besondere Berücksichtigung finden konnte.
Ich hoffe, dass Sie in der neuen Ausgabe des Hessischen Lohnatlas vielfältige Anregungen und wertvolle Informationen finden, die zur Verbesserung der Entgeltlage von Frauen in Hessen beitragen.
Ihre